Nachbetreuung wird immer wichtiger
Welche Frauen suchen heute Hilfe im Frauenhaus des SkF Paderborn, gibt es den "klassischen Fall"?
Nein, zu uns kommen Frauen von 18 bis 60 Jahren, mit oder ohne Kinder, verschiedener Nationalitäten sowie Biographien, aus allen Schichten mit unterschiedlichen Einkommen, Bildung, Status und Kultur. Alle haben jedoch häusliche Gewalt erfahren, in der Ehe, Lebensgemeinschaft oder bei den Eltern, d.h. sie haben eine Art körperlicher, seelischer und sexualisierter Misshandlung innerhalb der bestehenden oder ehemaligen Beziehung erlebt. Und: Selten geht eine Frau nach den ersten Schlägen und Demütigungen, es dauert meistens Jahre steigender Gewalterfahrung, bis sie Hilfe in Anspruch nimmt und ins Frauenhaus kommt.
Wie sieht die Hilfe konkret aus?
Die Frau steht im Zentrum, ihr Schutz und ihre Unterkunft haben Priorität. Sie und ihre Erlebnisse ernst zu nehmen, ist Grundlage der Hilfe. Sozialpädagogische Betreuung und Begleitung unterstützt im zweiten Schritt die Frauen auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Die konkreten Hilfen sind individuell an die Frauen angepasst. Wir unterstützen beispielsweise ganz praktisch bei Behördengängen, bei der Arbeits- und Wohnungssuche oder helfen bei der Klärung der Finanzen. Außerdem vermitteln wir Sprachkurse, geben Hilfestellung bei Erziehungsfragen oder in Fragen von Schule oder Freizeitgestaltung. Wir beraten natürlich auch innerhalb der aktuellen Trennungssituation. Es geht um die Aufarbeitung der Gewalterfahrungen, um Hilfestellung beim Aufbau eines neuen Selbstbewusstseins und damit um die Entwicklung neuer Lebensperspektiven. All dies soll den Frauen helfen, sich unabhängig von ihren Partnern zu machen und ihren eigenen Weg zu gehen. Auf Wunsch bieten wir auch eine Nachbetreuung in der neuen Lebenssituation. Wir halten dann Kontakt, entweder telefonisch oder persönlich im Rahmen von Hausbesuchen.
Hat sich das Problem "häusliche Gewalt" in den letzten 30 Jahren gewandelt?
Wir beobachten, dass immer mehr junge Frauen auch aus anderen Kulturkreisen ins Frauenhaus gehen. Sie fliehen vor ihren Familien, weil sie dort Gewalt erfahren oder von Zwangsheirat bedroht sind. Früher ergaben sich diese Frauen ihrem Schicksal. Heute nehmen sie diese Bevormundung durch ihre Familie nicht mehr hin und wehren sich. Denn sie sind in diesem Land aufgewachsen und erkennen für sich Alternativen.
Eine andere Entwicklung: Der Hilfebedarf vieler Frauen wird größer, ihre Problemlagen immer komplexer. Die kurze Zeit im Frauenhaus reicht nicht, um ihnen umfassend weiter zu helfen. Nachbetreuung wird also wichtiger. Die Aufenthaltszeiten im Frauenhaus verkürzen sich auch durch die konsequente Anwendung des Gewaltschutzgesetzes mit Verbot der Wohnungsbetretung, Wohnungsverweisen und Rückkehrverboten. Auch dadurch fühlt sich Frau fühlt sich schneller wieder sicher und geht in ihre Wohnung zurück.
Welche Herausforderungen gibt es für die Zukunft?
Eine entscheidende Aufgabe der Zukunft wird es sein rückkehrenden Frauen in ihrem Lebensumfeld zu helfen. Dazu gehört eine Kombination von Hilfen, etwa die Arbeit mit den Tätern im opfergerechten Sinn, die Stabilisierung des Opfers, die Veränderung von grundlegenden Hindernissen und die Begleitung von Frauen und Kindern über einen längeren Zeitraum.