Die Wertschätzung macht's
Wenn sich am Freitag etwa 30 Kinder mit ihren Begleitpersonen in der Bahnhofsmission am Hauptbahnhof sammeln, ist Nervenstärke gefragt. Da werden alle begrüßt, in die richtige Gruppe eingeteilt und die Reisedokumente überprüft. Ist alles vollständig? Ist das Kind gesund und reisefähig? Da heißt es einen kühlen Kopf bewahren, wenn die Kinder alle durcheinander rufen, Koffer suchen, Abschiedstränen weinen. Das Ganze nennt sich "Kids on Tour", ein Service der Bahn in Zusammenarbeit mit der Bahnhofsmission. Die ehrenamtlichen Begleiterinnen und Begleiter warten in der Zwischenzeit schon darauf, dass alle bereit sind. Sie bringen die Kinder immer freitags und sonntags von Berlin nach Hamburg, Düsseldorf oder Frankfurt a.M. und zurück, denn viele Kinder wachsen abwechselnd bei Müttern, Vätern und Großeltern auf. Manche besuchen Verwandte, Paten oder Freunde.
Ein gut eingespieltes Team
Für die formale Abwicklung hat das Team vor Ort pro Zug etwa 45 Minuten Zeit, denn die drei Züge verlassen alle kurz hintereinander den Berliner Hauptbahnhof. Unter dem Druck kann es schnell einmal zu Konflikten mit den Eltern kommen, wenn zum Beispiel nicht alles beisammen ist. Der hauptamtliche Mitarbeiter vermittelt und hilft, fehlende Unterlagen zu beschaffen und Probleme gemeinsam mit der Kids-on-Tour-Zentrale in Mannheim zu lösen. Die friedliche Abwicklung will gelernt und geübt sein – ohne intensive Einarbeitung der Helferinnen und Helfer wäre das nicht denkbar.
Janina Jonietz, hauptamtliche Mitarbeiterin der Bahnhofsmission, weiß, wie wichtig es ist, die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fundiert aufzubauen und langfristig auszubauen. "Sie sind in der ersten Zeit einfach mit dabei, sehen zu und lernen Schritt für Schritt, wie alles funktioniert, bis sie sicher und selbständig arbeiten können", erzählt sie, "das gilt für ‚Kids on Tour‘ ebenso wie für die Hilfe am Bahnsteig und den täglichen Umgang mit Gästen in den Räumen der Bahnhofsmission."
Sie müssen die Zusammenhänge der Bahnhofsmission verstehen, den Bahnhof gut kennen, Kommunikationstechniken erlernen und vieles mehr. Janina Jonietz ist es wichtig, die Helferinnen und Helfer wissen zu lassen, dass sie willkommen sind und dass sie sich freut, sie zu sehen. "Ich war sehr beeindruckt, als man mir am Abend meines ersten Tages in der Bahnhofsmission dafür dankte, dass ich da war", berichtet Corinna Rieniets, 47, seit Weihnachten 2011 freiwillig in der Bahnhofsmission tätig. Die Wertschätzung ihrer Arbeit motiviert sie ungemein. Sie will der Gesellschaft etwas zurückgeben. Besonders gefallen ihr die regelmäßigen Dienstbesprechungen. "Wir bieten eine Möglichkeit des Austauschs und verbessern so die Koordination und das Arbeitsklima. Dazu machen wir es uns nett bei Kaffee und belegten Brötchen, schließlich soll die Arbeit ja auch Spaß machen", sagt Janina Jonietz.
Ohne Freiwillige geht es nicht
Die regelmäßigen Treffen sind eine der Maßnahmen in der Bahnhofsmission zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitern. Weitere Schritte sind geplant, denn dass die Zukunft im Ausbau freiwilligen Engagements liegt, ist für sie offensichtlich. In einer Schicht arbeiten zumeist ein Hauptamtlicher, ein Bundesfreiwilliger sowie ein Ehrenamtlicher. "Dabei bräuchten wir noch viel mehr Helfer", seufzt Janina Jonietz, "vor allem für die Abfertigung der Kinder am Freitag und Sonntag. Und eins ist klar: Wie auch in vielen anderen sozialen Einrichtungen können wir die ganze Arbeit hier nur mit Hilfe der Freiwilligen aufrecht erhalten."
Die Arbeit an den Bahnhöfen ist nicht immer einfach. Deshalb ist es wichtig, dass auch die erfahrenen Helfer weiterhin gut eingebunden und gefördert werden. "Wir haben hier ein sehr gutes Miteinander, ich kann jederzeit Fragen stellen und um Hilfe bitten", ergänzt Corinna Rieniets. Der 21-jährige Robert Loest pflichtet ihr bei: "Auch bei Stress ist die Zusammenarbeit gut. Ich kann die Mitarbeiter bei Problemen immer um Rat fragen. Man wird dabei auch gefördert, selbst Lösungen zu finden." Seit Herbst 2011 absolviert er in der Bahnhofsmission seinen Bundesfreiwilligendienst. Besonders die zumeist eigenverantwortliche Gestaltung des Tages weiß er zu schätzen, denn sie lehrt ihn Selbstständigkeit, Mit- und Vorausdenken.
Janina Jonietz legt besonderen Wert darauf, dass die ehrenamtlichen und freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut integriert sind und sich wohlfühlen. Sie sollen gern zur Arbeit kommen. Sie möchte jeden einzelnen gut kennen lernen und ein Umfeld schaffen, in dem sie ihre Aufgaben gut bewältigen, ihre Fähigkeiten entwickeln und einbringen können. "Sie sollen selbst auch etwas mitnehmen und zufrieden sein mit dem, was sie tun", sagt sie. Für eine noch bessere Zusammenarbeit sei es notwendig, dass alle ihre Wünsche und Erwartungen offen kommunizieren. Sie ist sicher, dass sich jede Mühe lohnt: "Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen neue Impulse und Ideen ein, die sehr wertvoll sind. Man steckt ja selbst manchmal zu sehr in der Arbeit drin, um noch Neues zu entwickeln."
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