Junge Leute engagieren sich sozial als BuFDi und im FSJ
Dass Fabienne Matthieu (23) eine BuFDi wurde, ist kein Zufall. Auch Kollege Markus Kowalewski (19) hat ganz bewusst seine Entscheidung für eine soziale Arbeit getroffen. Die beiden jungen Leute warten auf den Studienplatz - Fabienne will soziale Arbeit in Bochum studieren - oder auf einen Ausbildungsplatz und überbrücken die Wartezeit. Ähnliches gilt für Nancy und Jeannine Stöckel, beide 19 Jahre jung und beide im Freiwilligen Sozialen Jahr tätig. Das "soziale Quartett" erzählt aus seiner Praxis.
Für die beiden BuFDis war schnell klar: "Wir wollen was Sinnvolles machen, nicht bloß jobben und in der Welt umherreisen." Der Bundesfreiwilligendienst, im deutschen Abkürzungswahn, den auch die Caritas teilt, schnell "BuFDi" getauft, fanden sie ein ansprechendes Angebot. Im Altenwohn- und Pflegeheim St. Elisabeth von Thüringen in Bochum-Wattenscheid im November 2011 die entsprechende Stelle. In den Wohngruppen, denen sie zugeteilt wurden, sind die beiden äußerst beliebt. Helmi Butenberg (91), eine rüstige Seniorin mit verschmitztem Humor, bringt die Arbeit der beiden auf den Punkt: "Denen würde ich beiden eine Eins geben."
Seit einem halben Jahr erfahren Fabienne und Markus beinahe täglich, wie hart, aber auch wie erfüllend das Arbeiten mit immer wieder kehrenden Rhythmen sein kann. Ab 6.30 Uhr heißt es: den alten Menschen bei der Grundpflege und beim Ankleiden helfen, Frühstück reichen, Spiele spielen, mal nen Spaziergang machen, vorlesen, basteln, malen, den Tisch fürs Mittagessen decken, aufräumen - die Frühschicht endet gegen 15.30 Uhr. Markus, ein 2-Meter-Riese, macht auch Spätschicht - bis 21 Uhr ist er dann im Haus.
Ein Lächeln als Dank
Beide sagen: "Wir freuen uns jeden Tag aufs Neue, wenn wir hier durch die Tür kommen." Sie nehmen viele Erfahrungen der alten Menschen - viele von ihnen über 80 Jahre - für ihr eigenes Leben auf, lernen, dass der alte Mensch oft körperlich, manchmal auch geistig kaum dem heutigen Tempo folgen kann, was Fabienne und Markus akzeptieren gelernt haben. Fabienne: "Ein Lächeln, ein zarter Händedruck, liebe Worte - der Dank der alten Menschen kommt so tief von Herzen, das ist sooo schön", sagt die junge Frau, die selbst ein Lächeln aufs Gesicht zaubern kann, dass Mona Lisa im Louvre erblassen müsste. Sie werden in ihrer Arbeit angelernt und begleitet, sie werden in Seminaren auch politisch geschult, das Lehr- und Lernpensum ist pickepacke voll.
Fürs Leben lernen und das freiwillig - diese Komponente ist für Hans-Jürgen Rempe, Verwaltungsleiter im modernen und lichtdurchfluteten Altenwohn- und Pflegeheim an der Berliner Straße, wichtig. "Viele von den jungen Leuten kennen das Leben ihrer eigenen Omas gar nicht mehr, lernen hier erst, den alten Menschen zu verstehen und Rücksicht zu nehmen. Unsere Freiwilligen, die uns länger zur Verfügung stehen als zuletzt die Zivis, sind schon klasse, weil motiviert und mit Eifer bei der Sache." Die BuFDis können Wünsche äußern, wo sie eingesetzt werden wollen. "Wer partout nichts mit Pflege machen will, muss das auch nicht. Das ist okay", erklärt Rempe.
Mehr Stellen gewünscht
Generell und damit in ganz Deutschland ist der Bundesfreiwilligendienst als Nachfolger des abgeschafften Zivildienstes eine nicht unbedingt erwartete Erfolgsgeschichte. Für 35.000 Stellen steht bundesweit Geld von Kassenwart Wolfgang Schäuble bereit - alle Jobs sind weg. Man könne gut und gerne, so hört man im politischen Berlin, die doppelte Stellenzahl ausweisen, wenn man denn Geld dafür locker machen könnte, wollte, sollte, vielleicht müsste … Auch im Beritt der Ruhrcaritas hört man: "Wir könnten in unserer Praxis mehr BuFDis einsetzen, die Erfahrungen sind sehr gut."
Im Ruhrbistum sind derzeit 230 BuFDis (von ihnen 212 unter 26 Jahren) und 130 junge Leute (bis 26 Jahre) im Freiwilligen Sozialen Jahr in diversen Einrichtungen beschäftigt. Sie erhalten auf Empfehlung der Ruhrcaritas einheitlich 350 Euro im Monat als Taschengeld, was Sinn macht, denn oftmals arbeiten beide Sozialdienstler nebeneinander. Für einen Verband wie die Caritas kommt freilich unter dem Strich der BuFDi erheblich günstiger - für den FSJler gibt’s keine Berliner Knete. Kein Wunder also, dass Verwaltungschef Rempe in Wattenscheid sagt: "Unter dem Strich ist es wenig sinnvoll, dass zwei soziale Dienste nebeneinander laufen." Und auch Karl Buron, zuständiger Sachbearbeiter "Soziale Dienste" bei der Ruhrcaritas in Essen, kritisiert: "Da ist Vieles administrativ noch nicht geklärt." Man habe zudem für 2013 mit 500 sozialen Stellen geplant, schließlich dränge dann der Doppeljahrgang (weil erstmals fürs Abitur nur noch 12 Jahre benötigt werden) auf den Markt: "Wir als Wohlfahrtsverband können doch eigentlich keine jungen Leute, die sich sozial engagieren wollen, wieder nach Hause schicken, das geht doch nicht, das ist doch ein Widerspruch", klagt Buron. Es bleibt abzuwarten, was und wie im Laufe des Jahres hier noch nachgebessert werden wird, auch wenn die finanziellen Vorzeichen aus Berlin derzeit nicht im "sozialen Plus" stehen.
Spiele am Nachmittag
Zurück nach Wattenscheid. Die über 100 Bewohnerinnen - die meisten haben ein eigenes Zimmer oder kommen nur zur Tagespflege ins Heim - sind gut drauf: Spiele-Nachmittag, dazu gibt’s Kaffee und Kuchen. Nancy Stöckel, die Altenpflegerin werden will, kennt ihre Aufgaben. Eine davon ist, dass sie Margarethe Müller (69), die im Rollstuhl sitzt, füttern muss. Sie reicht ihr den Kaffee, schneidet das Stück Butterkuchen in portionsgerechte Bissen und sagt: "Die Frau Müller und ich sind da schon ganz eingespielt." Nancy hat sich auf über 70 Stellen für eine Ausbildung beworben - nichts! Jetzt hofft sie wie auch ihre Schwester, dass sie mit dem FSJ im Rücken ihre Chancen verbessert. "Am liebsten würden wir hier im Haus bleiben!"
Derweil sucht Fabienne noch eine dritte Dame fürs Mensch-ärgere-dich-nicht. Wie bestellt kommt da Agnes Künzer (97) um die Ecke. "Mensch, Frau Künzer, Sie kommen genau richtig. Spielen Sie mit uns", lächelt sie ihr Zauberlächeln, dem auch die zweitälteste Bewohnerin des Hauses nicht widerstehen kann. Sie kämpft zwar eine Weile mit dem Würfel, hat dann aber den Schwung raus: "Boooh, ne Sechs!" Anna Hilbert (92) hat keine Lust aufs Spielen, sie erzählt Jeannine lieber einen "Schwank aus ihrem Leben", was die mit Aufmerksamkeit registriert.
In Ruhrbistum und anderswo: Der Bundesfreiwilligendienst (ebenso das FSJ) lebt vom Idealismus seiner Interessenten, von seiner Freiwilligkeit und von vielen sinnvollen Aufgaben. Der Job als "Ausputzer" im Supermarkt um die Ecke mag zwar besser bezahlt sein, "fürs Leben lernt man aber als BuFDi viel mehr", ist das "Sozial-Quartett" in Wattenscheid überzeugt. Sauber, diese Einstellung: Möge die Übung gelingen …
Alexander Richter