Wie freiwillige und berufliche Mitarbeiter kooperieren
Ralf Bieler war lange Jahre Leiter einer eigenständigen Genossenschaftsbank. Wo, spielt keine Rolle, darum haben wir seinen Namen geändert. Er hat viel freie Zeit, keine Enkel und kennt sich immer noch ausgezeichnet mit Geldgeschäften aus. Darum übernimmt er immer wieder als Ehrenamtlicher auch die Aufgabe der Schuldnerbetreuung: Menschen in finanziellen Problemen aus der Klemme helfen.
Mit Krediten, Ratenzahlungen, mit weit verbreiteter Schwäche im Kopfrechnen hat Bieler langjährige Erfahrung. Daran liegt es nun auch nicht, wenn er einen Fall wie den von Familie S. wieder zurückgibt. Die haben Schulden in fünfstelliger Höhe aus dem fehlgeschlagenen Versuch der Selbstständigkeit in der Gastronomie. Seit Wochen versucht Bieler mit Gläubigern und Lieferanten Aufschub herauszuhandeln. Dass Familienvater S. neulich wieder mal mit einer seit Monaten unbeglichenen Rechnung herauskam, hätte Bieler noch hingenommen. Obwohl er dem pleitegegangenen Gastwirt von Anfang an das Sammeln aller Belege, Forderungen, Quittungen als Geschäftsbasis für sein ehrenamtliches Engagement abverlangt hat; aber so vergesslich sind die Leute halt.
Dass die erwachsenen Söhne von S. mittags vor dem Flachbildfernseher herumhängen und bechern, hatte Bieler da auch mitbekommen. Dass die Eltern S. das normal finden, stört ihn schon mehr. Aber dann kam er unangekündigt bei Familie S. vorbei, um einen Termin bei deren Hausbank abzuklären. Denn das Telefon ist bei S. gesperrt, an sein Handy geht der verschuldete Gastwirt nicht.
Ehrenamtliche definieren ihre Grenzen
"Familie S. war vollständig draußen auf der Straße angetreten, um den 5er-BMW des Sohnes (20, im Berufsvorbereitungsjahr) zu begutachten: ein Schnäppchen, acht Jahre alt; silbermetallic, 192 PS für nur 3.900 Euro. Da habe ich den Rückzug angetreten", sagt Bieler kopfschüttelnd, "und die gesamte Akte S. gleich dem Kollegen im Caritasverband abgegeben." Der ist hauptberuflich in der Schuldnerberatung tätig. Er koordiniert die Arbeit aller Berater, dokumentiert den Verlauf der Betreuung und die Abmachungen mit den Gläubigern, arbeitet die Warteliste der Beratungswilligen ab. Er plant Fortbildungen und rechnet die Fahrtkosten der Ehrenamtlichen ab. Im Fall S. hatte er mit dem Energieversorger gerade ausgehandelt, dass Gas und Strom nicht abgestellt werden. Um in Sachen privater Insolvenz weiterzukommen, wird der Caritasberater bei Herrn S. die Rückabwicklung des Autokaufs durchzusetzen versuchen: Die harte Nuss liegt jetzt auf seinem Tisch.
Für Ralf Bieler ist der Fall S. erledigt. Er hat sich entschieden, seine Zeit nun Frau M. zu widmen, die alleinerziehend drei Kinder in Schule und Kindergarten durchkriegen muss. Der hauptamtliche Schuldnerberater im Caritasverband ist damit einverstanden und wieder ein Stück weit entlastet.
Die Zusammenarbeit zwischen Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen in der Schuldnerberatung ist seit Jahren immer mehr verbreitet; auch, weil das Beratungsangebot - und damit Beraterstellen - nicht in dem Maße refinanziert sind, wie es der Bedarf verlangt. Damit dennoch gute Beratung geleistet werden kann, haben der SKM - Bundesverband (Katholischer Verband für soziale Dienste in Deutschland) und die Arbeitsstelle der verbandlichen Caritas für die Sozialberatung für Schuldner als Vertreter sowohl der Fachlichkeit als auch der Träger solcher Dienste an die Erarbeitung von Standards gemacht. Sie können auch für andere Felder kooperativer sozialer Arbeit Mustergültiges aussagen.
Zum Beispiel über:
Professionelle Unterstützung und Begleitung
- Ehrenamtlich Engagierte in der Schuldnerberatung brauchen Unterstützung durch hauptamtliche Fachkräfte.
- Der hauptamtlicher Koordinator ist verantwortlich für die Gestaltung des Freiwilligenengagements: Auswahl, Einarbeitung, Schulung, Begleitung.
- Er ist für die Freiwilligen fester Ansprechpartner und organisiert regelmäßige Treffen.
Das Verhältnis von Haupt und Ehrenamtlichen
- Zusammenarbeit braucht Akzeptanz und gegenseitige Wertschätzung.
- Hauptamtliche sind für den Einsatz von Ehrenamtlichen zu sensibilisieren und vorzubereiten.
- Aufgaben, Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Gestaltung sind klar geregelt und abgesprochen.
- Ehrenamtlich Engagierte in der Schuldnerberatung sind in der Regel keine ausgebildeten Schuldner- und Insolvenzberater. Ihre fachlichen Kompetenzen können nicht umfassend sein.
- Die Fallverantwortung liegt daher grundsätzlich bei den hauptamtlichen Beratungsfachkräften.
Den Partner anerkennen
Anerkennung ist "Belohnung" und Wertschätzung von Ehrenamtlichen. Ein "Dankeschön" allein als einzige Würdigung reicht nicht aus. Es sollten auch andere Formen der Anerkennung genutzt werden wie
- Teilnahme an Tagungen,
- regelmäßige Besprechungen,
- Beteiligung an Entscheidungen,
- Gemeinschaft durch Feste und Ausflüge,
- Schulungen und Erfahrungsaustausch,
- kommunale Karte für ehrenamtliches Engagement (Eintritt in öffentliche Einrichtungen),
- kleine Geschenke zum Geburtstag,
- eine angemessene Verabschiedung, wenn die Mitarbeit beendet ist. Quelle: Handlungsempfehlungen für das Ehrenamt in der Sozialberatung für Schuldner der verbandlichen Caritas. Herausgegeben vom SKM-Bundesverband (Katholischer Verband für soziale Dienste in Deutschland) und der Arbeitsstelle für die Sozialberatung für Schuldner, 22. Dezember 2009.