„Mitten Drin“ statt nur dabei
Ruhig ist es in der Hochhaussiedlung "Im Bonnefeld" im Duisburger Stadtteil Mündelheim. Eingerahmt von der B288 und einer Neubausiedlung, wirkt das Wohnviertel im Süden der Revierstadt wie eine eigene kleine Welt. Die weitläufige Anlage lässt weit blicken, dennoch sieht man nur wenige Bewohner auf den Wegen zwischen den grauen Betonklötzen, in denen die Menschen leben. Wer wohnt hier in diesem Viertel? Die Antwort kennt der Wind, vielleicht, denn viel geben die Häuser und die Umgebung nicht preis. Augenscheinlich ist nur, dass sich die Anlage aus den 70er Jahren nicht gerade im besten Zustand befindet.
Auch die Caritasgruppe der Gemeinde St. Dionysius hat sich die Frage gestellt, wer die Menschen hier sind und wie sie leben, erzählt Christa Blokesch, Gemeindereferentin der Pfarrei. Um das herauszufinden, machte man sich auf den Weg durch das Viertel. Mit der Unterstützung von Horst Ambaum, verantwortlich für die Gemeindecaritas im Duisburger Süden, durchlief man die Siedlung und befragte die Anwohner. Ziel der Caritas war es, mehr Kontakt zu den Bewohnern zu bekommen, um sie stärker in das öffentliche Leben einzubeziehen.
Jedoch förderte die Befragung der Mieter mehr ans Licht, als man sich anfangs vorgestellt hatte - die Mieter leb(t)en in schlimmen Wohnverhältnissen. "Das Spektrum reichte dabei von Schimmel in den Wohnungen
über defekte Heizungen bis hin zu nicht funktionierenden Warmwasserboilern", so Marc Schmidtlein, Sprecher der Mieterinitiative "Im Bonnefeld".
Viele Bewohner im Viertel seien schon sehr alt und könnten sich nicht wehren. Außerdem hätten 60 Prozent der Mieter einen Migrationshintergrund. Auf Beschwerden von Mietern habe die GAGFAH, der größte Vermieter in der Siedlung, in der Vergangenheit oft nicht reagiert. "Die haben förmlich gemauert", sagt Ambaum. Also beschloss man, sich mit den Mietern zu solidarisieren. Die Mieterinitiative, der Bürgerverein Mündelheim und die Caritas stellten sich dem Immobilien-Riesen als Kontrahent gegenüber, um die Wohn- und Lebenssituation der Menschen hier vor Ort zu verbessern.
Der "Fall" Bonnefeld hatte zuvor schon über die lokale Presse seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden. Das Ergebnis: Die GAGFAH (Hauptsitz für Deutschland ist Essen), die in den letzten Jahren mit ihren rund 150.000 Mietwohnungen auch bundesweit immer wieder in die Kritik geriet, erklärte sich zu Gesprächen bereit. Man sei jetzt an einem Punkt der Kooperation statt der Konfrontation, beschreibt Ambaum den Status quo.
Aber: Neben dieser Auseinandersetzung konzentrierte sich die Caritas vor Ort auch auf ihr ursprüngliches Vorhaben - die Förderung der Gemeinschaft und die Teilhabe der Bewohner am öffentlichen Leben. In einer angemieteten GAGFAH-Wohnung wurde der Bewohnertreff "Mitten Drin" eingerichtet. "Der Caritas ist es wichtig, Räume zu schaffen. Im Vordergrund steht dann aber die Selbstorganisation der Bewohner", so Ambaum.
Noch steckt der Bewohnertreff in den Kinderschuhen. Bisher wird in den Räumen Nachhilfeunterricht für Kinder der Siedlung im Projekt "Bildungspatenschaft" der Caritas im Duisburger Süden angeboten (wir berichteten). In Zukunft soll das Angebot erweitert werden. Sprachkurse, ein internationales Cafe oder ein Seniorentreff sind nur einige Beispiele, die Ambaum nennt: "Letztlich geht es darum, dass sich die Angebote an den Bedürfnissen der Bewohner orientieren". Finanziert wird "Mitten Drin" durch die Stiftung St. Nikolaus der Pfarrei St. Judas und Thaddäus und die Duisburger Caritas. Mittelfristig erhoffen sich die Initiatoren von der GAGFAH den Erlass der Kaltmiete für die Räumlichkeit, um die Finanzierung besser sichern zu können.
Die Siedlung "Im Bonnefeld" wurde Anfang der 1970er Jahre errichtet. Sie diente als Wohnquartier für die Arbeiter des in der Nachbarschaft gelegenen Mannesmannwerkes. Damals, so berichtet Christa Blokesch, sei das Gemeinschaftsgefühl und das Selbstbewusstsein der Menschen in der Siedlung sehr stark gewesen. "Heute trauen sich die Anwohner nicht mehr, ihre Freunde und Bekannten zu sich nach Hause einzuladen, weil sie sich schämen", ergänzt Marc Schmidtlein. Was bleibt, ist die Hoffnung, die bekanntlich zuletzt stirbt. Die Menschen hier wollen wieder mittendrin statt nur dabei sein - die Initiative "Mitten Drin" hilft ihnen dabei.
Felix Gross