Caritas-Tour zwischen Armut und Gesundheit
Wie ein roter Faden zog sich das Caritas-Jahresthema "Armut macht krank" durch die Tour des Diözesancaritasverbandes Münster, die fünf Tage lang durch den Kreis Recklinghausen führte. Der Vorsitzende, Domvikar Dr. Klaus Winterkamp, und Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann besuchten mit Abteilungsleitern die neun Caritasverbände sowie die Sozialdienste katholischer Frauen und Sozialdienste Katholischer Männer im Kreis Recklinghausen. "Wir wollen uns die Erfolge und Probleme der Verbände nicht nur in Münster anhören, sondern uns auch ihre Arbeit vor Ort anschauen," erklärte Kessmann.
Beschäftigungsprojekte der Caritas Haltern, die medizinische Kinderschutzambulanz in der Vestischen Caritas-Kinder- und Jugendklinik Datteln und das Thema "Armut im Alter" im St. Elisabeth-Hospiz in Datteln standen gleich am Montag auf dem Programm. Erweitert wurde das Themenspektrum in den folgenden Tagen unter anderem mit Wohnungslosenhilfe, Stadtteilarbeit, Frühen Hilfen, Schwangerschafts- und Schuldnerberatung. In abendlichen Runde wurde politisch das Thema Armut diskutiert sowie die Zusammenarbeit zwischen Caritas und Pastoral.
Erstes Ziel war das Beschäftigungsprojekt Radstation als Teil der Jugendwerkstatt in Haltern. Obwohl die Stadt sich über die geringste Arbeitslosenquote im Kreis Recklinghausen freut, haben 600 Bürger trotz bester Konjunktur keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt, erklärte Michael Halberstadt den Gästen aus Münster. Er koordiniert die verschiedenen Beschäftigungsprojekte bei der Caritas Haltern, in der 62 junge Erwachsene und Arbeitslose ausgebildet oder qualifiziert werden. Sie zu beschäftigen werde durch die Reformen der Arbeitsförderung immer schwieriger, die die Bundesregierung beschlossen habe. Das Möbelkaufhaus sei gefährdet, drei Anleitern habe man bereits kündigen müssen, sagte Caritas-Geschäftsführer Willi Grave.
Mit Bildung gegen Armut vorzubeugen bemühen sich Stadt und Caritas auch in der Schulmensa des Gymnasiums und der Realschule durch die erweiterte Betreuung. Kristin Allerdisse beobachtet hier, dass immer mehr Kinder problembelastet und Eltern überfordert sind. "Sie drohen unterzugehen", sagte sie.
Überforderte Eltern sehen Dr. Tanja Brüning und Prof. Paulussen auch zunehmend in der Kinderschutzambulanz der Vestischen Caritas-Kinder- und Jugendklinik. Anderthalb Jahre nach Eröffnung haben sie inzwischen jeden Tag bei einem vorgestellten Kind den Verdacht, dass es vernachlässigt oder misshandelt worden ist. Jugendämter bitten um Hilfe und immer häufiger ruft die Kriminalpolizei aus benachbarten Kreisen an.
Der Grund für die Überforderung der Eltern liege, so Paulussen, häufig in der Bildungsarmut der Familien. Wobei Misshandlungen durchaus in allen Bevölkerungsschichten vorkämen. Klar müsse allen Eltern sein, dass eine Ohrfeige kein Erziehungsmittel sei und schon gar nicht für einen Säugling. Aus vielen Familiengeschichten weiß Tanja Brüning, dass sich Gewalt vererbe. Hier müsse in der Vorbeugung angesetzt werden.
Gesetzesänderungen sieht Diözesandirektor Heinz-Josef Kessmann nicht als alleinige Lösung. Es müsse neu darüber nachgedacht werden, wie Vorbeugung tatsächlich gelingen könne. Problem bleibe die Balance zwischen der Eigenverantwortung der Eltern und der Notwendigkeit, die Kinder vor ihnen zu schützen. Dass selbst bei relativ engmaschiger Betreuung Misshandlungen nicht verhindert werden können, erlebt Brüning immer wieder.