Ein Kreuz auf dem Sarg und den Kopf nach Mekka
Als mein Vater Anfang 2009 unvermittelt verstarb, entschied seine Frau, dass er als Moslem ein muslimisches Begräbnis erhalten sollte, obwohl alle vor Ort anwesenden Angehörigen, mit Ausnahme eines Bruders, Katholiken sind.
Der Imam des örtlichen Moscheevereins, in dem mein Vater Mitglied war, übernahm daraufhin die Vorbereitungen für das Begräbnis und erklärte, was noch zu besorgen sei, zum Beispiel eine flache rechteckige und beschriftete Steintafel, die bis zur Fertigstellung des Grabsteines an der Stirnseite des Grabes in die Erde gesteckt werden sollte.
Direkt vor dem Begräbnis fand die traditionelle dritte Waschung des Toten statt, an dem üblicherweise die nahen männlichen Verwandten, in unserem Fall meine Brüder, ein Onkel und ich, teilnahmen.
Das mit der Waschung beauftragte Mitglied des Moscheevereins bemerkte während der Waschung, dass auf dem bereitgestellten Holzsarg ein christliches Kreuz angebracht war, was ihn und alle Anwesenden irritierte. Ich nahm mich der Sache an und versuchte bei den vor der Tür wartenden Sargträgern ein Hebelwerkzeug zu erbitten, um das Kreuz zu entfernen. Die Hilfsbereitschaft der beiden Männer jedoch hielt sich in Grenzen. Aus ihrer Reaktion ließ sich schließen, dass sie für mein Anliegen kein Verständnis hatten und diesen Fremden gegenüber nicht gerade aufgeschlossen waren. Zu guter Letzt habe ich das Holzkreuz mit meinem Autoschlüssel abgehebelt.
Nach der Waschung wurde mein Vater in drei weiße Laken eingeschlagen und in den Sarg gelegt (eine für Muslime übliche Bestattung ohne Sarg ist in den meisten Bundesländern nicht gestattet). Der Vorgang der Waschung und das Handanlegen bei der Umbettung in den Sarg habe ich dabei als einen sehr persönlichen und natürlichen Vorgang erlebt.
Der Trauerzug zur Grabstätte setzte sich alsdann in Bewegung, wobei klar war, dass nur männliche Personen hinter dem Sarg gehen sollten. Den Sargträgern wurde der Sarg von den Mitgliedern des Moscheevereins aus der Hand genommen, und so zogen sich diese, nachdem sie nicht mehr gebraucht wurden, zurück.
Männersache und Trauerritual
Der Weg endete auf einem kleinen Gräberfeld am Rande des Friedhofs, das extra für die Beerdigung von Muslimen angelegt wurde und auf dem die Kopfseiten der Gräber nach Mekka ausgerichtet sind.
Während der Begräbniszeremonie durften nur männliche Muslime am Grab stehen. Meine Brüder und ich waren lediglich geduldet. Allerdings konnten wir die in Arabisch abgehaltene Zeremonie am offenen Grab nicht verstehen und waren dadurch ähnlich wie die restliche Trauergemeinde nicht beteiligt. Zwischendurch übersetzte der Imam einzelne Rituale ins Deutsche, zum Beispiel die Frage, ob der Verstorbene noch Schulden im eigentlichen und im übertragenen Sinne habe, die jetzt zu begleichen wären, damit er frei von allem ins Paradies gelangen könnte.
Nachdem die Gebete und Segnungen abgeschlossen waren, begannen die Männer des Moscheevereins unvermittelt, mit Schaufeln Erde auf den Sarg zu häufen. Dies irritierte die nichtmuslimische Trauergemeinde aus Verwandten, Freunden, Bekannten, ehemaligen Arbeitskollegen, Nachbarn und Sportvereinsmitgliedern, die eigentlich in der Überzahl waren. Sie standen etwas abseits und warteten auf die Möglichkeit, ihre Blumengebinde abzulegen oder symbolisch etwas Erde auf den Sarg zu werfen. Das Zuschaufeln des Grabes konnte daraufhin wieder gestoppt werden, so dass nun alle anderen noch die Möglichkeit zum Abschied nach ihren Gewohnheiten hatten. Erst jetzt konnten auch die Frau meines Vaters und meine Schwestern zum Grab kommen, um sich von ihrem Mann und Vater zu verabschieden.
Das Aufeinandertreffen der Religionen empfand ich in dieser Situation als anstrengend. Es entstand kein Dialog zwischen beiden. Nicht nur weil es sich um meinen Vater handelte, sondern auch wegen dieser Umstände wird mir dieses Begräbnis im Gedächtnis bleiben.
Amin Salim,
Referent für Migration und Integration im Deutschen Caritasverband
Kontakt: E-Mail: amin.salim@caritas.de
Bestattung im Islam
Was man wissen sollte, wenn ein muslimischer Nachbar stirbt:
- Der Leichnam wird rituell gewaschen, in ein Leinentuch gewickelt und im Idealfall ohne Sarg beigesetzt (in Deutschland nur in wenigen Bundesländern möglich). Für gläubige Muslime ist die Erdbestattung die einzig mögliche Bestattungsform.
- Die Totenruhe ist wichtig: Fast jede Form des Grabschmucks sowie weitere Grabpflege unterbleiben in der Regel. So sind zum Beispiel auch Umbettungen, Wiederbelegung von Gräbern oder Exhumierungen kaum vorstellbar.
- Der Leichnam wird entweder auf den Rücken oder auf die rechte Seite mit Blick nach Mekka ins Grab gelegt.
- Nach islamischer Tradition ist die Achtung der Toten ein hoher Wert, so dass alle anderen Geschäfte vorläufig auszusetzen sind.
- Der Raum für die Trauerfeier muss frei von christlichen Symbolen sein.
- Während der Trauerfeier und Beerdigung herrscht Stille.
- Das Beileid wird den Angehörigen bis zu drei Tage nach dem Tod ausgesprochen. Hier sind Besuche üblich.
- Frauen und Nichtmuslime stehen hinter den betenden männlichen Muslimen oder abseits und sind nur am Rande der Bestattung erwünscht.
- Blumen am Grab sind nicht die Regel, sind aber auch nicht verboten. Passender ist es, feuchte Zweige abzulegen.
- Man darf sich nicht hinsetzen, bevor der Leichnam tatsächlich bestattet ist.
- Eine spezielle Trauerkleidung (etwa schwarze Farbe) ist nicht vorgeschrieben. Ein Kopftuch ist für Frauen auf dem Friedhof oder im Moscheehof unabdingbar - auch wenn sie sonst keines tragen.
Ivo Genchev,
Deutscher Caritasverband