Das (Leben mit) Handicap verbessern
mit gleichmäßigen Schritten zieht Peter Eickhoff seine Bahnen. Vor sich den "Grünsmäher". Kurz vor Ende der Bahn lässt er den Gashebel los, hebt den Mäher vorne an, geht forsch in die Kurve und setzt nahtlos die nächste Bahn an. "Das macht er schon sehr gut", lobt Willi Tewes, Anleiter für die neuen Greenkeeper auf dem Paderborner Golfplatz. Sieben Menschen mit Behinderung sind es zurzeit, die die richtige Pflege des Grüns lernen. "Das ist gar nicht so einfach, wie es aussieht", erklärt Tewes. Um das Grün um die Löcher perfekt zu pflegen und auf vier Millimeter zu kürzen, sind richtiges Timing und viel Feingefühl nötig. "Der Mäher muss rechtzeitig hochgehen, um nicht ins Vorgrün zu kommen", erklärt Tewes. "Und dann muss man auf der Gegenbahn genau ansetzen und gerade fahren, damit kein Streifen stehenbleibt." Alle zwei Tage schneiden die neuen Greenkeeper das in der Zwischenzeit um zwei Millimeter gewachsene Gras rund um die Löcher. "Sonst rollt der Ball nicht gerade", weiß Dieter Mühlenkamp, der vorher im Gartenbau der Caritas-Schlosswerkstätten in Paderborn-Schloß Neuhaus beschäftigt war.
Seit drei Monaten werden die Greenkeeper der Caritas Wohn- und Werkstätten im Erzbistum Paderborn (CWW Paderborn) in der Pflege des Golfplatzes ausgebildet. In einem gemeinsamen Projekt mit der
Haxterpark gGmbH, die den Golfplatz betreibt, und dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), der die 86000 Euro zur Finanzierung des Projektes beisteuert, werden Beschäftigte der Werkstätten für behinderte Menschen gefördert, um den Sprung in ein Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes zu schaffen.
Handicap verbessern
"Ziel ist es, die Teilnehmer nach Ablauf des einjährigen Projektes in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu entlassen", sagt Klaus-Heiner Kaufmann, Geschäftsführer des Bereichs Werkstätten im CWW Paderborn. Ein Ziel, das nach drei Monaten realistisch erscheint. "Mein Fazit ist durchweg positiv", sagt Helmut Böhmer, Geschäftsführer des Golfplatz-Betreibers. Die Gruppe der Caritas Werkstätten sei sehr motiviert und "ein großes Plus für die Stimmung".
Willi Tewes winkt. Peter Eickhoff lässt den Gashebel los, nimmt die Ohrenschützer ab. "Lass mal den Marcel ran", ruft er ihm zu. Der 22-jährige Marcel Becker übernimmt den Mäher. Tewes gibt ihm Anweisungen, Becker nickt und schiebt den Mäher auf die nächste Bahn. "Die beiden sind ein eingespieltes Team", erklärt Tewes. "Die kann ich beruhigt alleine arbeiten lassen." Auch wenn Becker noch nicht die Routine hat wie sein Kollege. "Er ist jetzt etwas nervös, weil er beobachtet wird", kommentiert Tewes den schmalen Streifen Gras, den er - kaum sichtbar - hat stehen lassen. Beiden gefällt die Arbeit auf dem Golfplatz. Der 36-jährige Eickhoff war vorher zehn Jahre lang Handlanger am Bau, erzählt er. Dann sechs Jahre im Gartenbau der Werkstätten St. Nikolaus in Warburg. Für seine neue Tätigkeit nimmt er die 40 Kilometer lange Busfahrt nach Paderborn gern in Kauf.
Da die Projektteilnehmer aus unterschiedlichen Caritas-Werkstätten der Region kommen, kannten sie sich vorher nicht. "Das Zusammenfinden der Gruppe als Team war daher nicht so selbstverständlich", erklärt Willi Tewes. "Die verschiedenen Charaktere zusammenzuführen hat eine gewisse Zeit gedauert." Doch inzwischen ist die Stimmung im Team sehr gut, beschreibt André Flore, der vonseiten der Caritas-Werkstätten die Projektteilnehmer begleitet. "Die Teilnehmer identifizieren sich mit ihrer Arbeit. Alle sind mit Eifer bei der Sache. Da rümpft keiner die Nase bei Aufgaben, die mal nicht so spannend sind."
Driving Range
Das Mähen des Grüns ist eine der Lieblingsaufgaben der Greenkeeper. Bälle einsammeln, Unkraut stechen oder Brennnesseln absensen gehört aber auch mit dazu. "Morgens sieht es hier erst mal aus, als hätte es gehagelt", sagt Tewes. Auf der Driving Range, wo der Abschlag geübt wird, liegen überall weiße Golfbälle vom Vortag. Die müssen teils mit einer Maschine, teils von Hand eingesammelt und gewaschen werden. Dann geht es ans Papierkörbeleeren, anschließend stehen verschiedene Mäharbeiten an. Neben Grüns gibt es die Vorgrüns, "Fairways" und "Roughs", die auf unterschiedliche Längen gebracht werden müssen - von vier Millimetern auf den Grüns bis zum Wildwuchs an den Rändern. Die Sandbunker müssen geharkt und Unkraut gestochen werden, eine Arbeit, die Ulrich Pühse nicht so gern macht. "Da schon lieber Bälle sammeln oder Maschinen bewegen", sagt er. "Sonst würde ich nicht herkommen." Einen Führerschein hat er zwar nicht, er durfte aber an seinem vorherigen Arbeitsplatz in den Schlosswerkstätten Gabelstapler fahren. "Das vermisse ich", sagt er. "Dafür brauchte ich keinen Gruppenleiter, das konnte ich allein." Sein erklärtes Ziel: die größeren Maschinen auf dem Golfplatz fahren zu dürfen. Dafür legt sich der 35-Jährige mächtig ins Zeug, passt auf, wenn Willi Tewes und André Flore etwas erklären. "Ich kapiere es am schnellsten", sagt er selbstbewusst, gibt seinen Teamkollegen auch schon mal Tipps, was sie besser machen können.
"Das Golfplatz-Projekt sorgt für einen geschützten Rahmen zum gegenseitigen Kennenlernen von Arbeitgeber und Teilnehmern", erklärt die Integrationsassistentin der Caritas Werkstätten, Birgit Doll. Es ermögliche wertvolle Arbeitserfahrungen, ohne die Teilnehmer dem hohen Druck des Arbeitsmarktes auszusetzen.
Zeit zum Einlochen
"Werkstatt-Beschäftigte brauchen Stabilität und vertrauensvolle Begleitung bei der Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, das ist meist ein langer Weg." Mehr als 100 der knapp 1500 Beschäftigten der Paderborner Caritas Werkstätten arbeiten inzwischen an ausgelagerten Arbeitsplätzen. Auf diesem Weg werden sie individuell begleitet und gefördert. Beim jüngsten Arbeitsprojekt auf dem Golfplatz dient dazu auch das Golfspiel selbst. "Das gehört natürlich dazu", versichert Helmut Böhmer, der mit dem therapeutischen Golftraining für Menschen mit Behinderung bereits jahrelange Erfahrung hat. Zwei seiner Schützlinge, davon eine Beschäftigte der Schlosswerkstätten, holten jüngst bei den Special Olympics in Griechenland eine Goldmedaille.
Platzreife
Noch trainieren die angehenden Greenkeeper auf einem Neun-Loch-Golfplatz. Doch ein weiterer 18-Loch-Golfplatz ist im Bau und soll im Frühjahr 2012 eingeweiht werden. Dann warten weitere 58 Hektar auf Pflege - eine große Aufgabe, auf die die Greenkeeper der Caritas Werkstätten schon gespannt sind.
Markus Jonas
Arbeitgeber
Caritas Wohn- und Werkstätten im Erzbistum Paderborn e.V. (CWW Paderborn)
Der Verein "Caritas Wohn- und Werkstätten im Erzbistum Paderborn" (CWW Paderborn) mit Sitz in Paderborn bietet in 20 Einrichtungen und Diensten der Alten- und Behindertenhilfe mehr als 3000 Menschen Begleitung und Betreuung und beschäftigt rund 2000 Mitarbeiter. Betreuungseinrichtungen und Dienste der Behindertenhilfe befinden sich schwerpunktmäßig in den Kreisen Paderborn und Höxter. Die Betreuungseinrichtungen der Altenhilfe erstrecken sich über das gesamte Erzbistum Paderborn. Der Verein gliedert sich in drei gemeinnützige GmbHs (Wohnen, Werkstätten, Altenhilfe). Zu den Caritas Werkstätten im Erzbistum Paderborn gGmbH gehören die Schlosswerkstätten mit sechs Betriebsstätten in Paderborn und Bad Wünnenberg-Haaren sowie die Werkstätten St. Nikolaus mit vier Betriebsstätten in Büren und Warburg. In den Werkstätten mit rund 300 Mitarbeitern werden etwa 1500 Menschen mit Beeinträchtigungen beschäftigt.
www.cww-paderborn.de