Sich kümmern um den Nachbarn
Jeden, der ein Problem oder Problemchen hat, der sich die Nöte von der Seele reden oder einfach nur mal eine Tasse Kaffee trinken will mit den beiden – gegen die Einsamkeit daheim.
Für ihre Hilfe haben Scheffold und Seibold in Söflingen den Verein „Dienst am Nächsten e. V." (DAN) gegründet. Mit DAN, der dem Caritasverband angeschlossen ist, leisten sie Nachbarschaftshilfe im klassischen Sinn. Meistens kommen die Menschen mit Problemen zum Thema „Pflege" oder „Leben im Alter". Denn viele, vor allem in der Senioren-Wohnanlage im Blauäcker, leben in bescheidenen Verhältnissen; selbst der Essenpreis von 4,50 Euro im benachbarten Pflegeheim ist vielen zu teuer. DAN sorgt dafür, dass sie einen Zuschuss von 2 Euro von der Kirchengemeinde bekommen.
In der Senioren-Wohnanlage im Blauäcker mit 65 Wohneinheiten und 80 Bewohnern bauten Edith Scheffold und Wolfgang Seibold – gemeinsam mit Kirchengemeinden, Vereinen und Gruppierungen – ein Seniorennetzwerk auf. Es begann 2007 mit einem vom Sozialministerium geförderten Projekt. Als das Projekt auslief, machten Scheffold und Seibold einfach weiter, weil sie die Aufbauarbeit nicht gefährden wollten. Edith Scheffold: „Nach drei Jahren Projekt konnten wir es nicht einfach sein lassen." Die Erfahrungen aus dem Projekt „Seniorennetzwerk" flossen in die Arbeit von DAN ein.
Das Seniorennetzwerk belebt heute die Hilfe von Nachbar zu Nachbar. Sich umeinander kümmern, sich füreinander interessieren statt sich gleichgültig zu sein – das wollen die Macher erreichen. „Einander begegnen" ist ihr Schlüsselbegriff. Gleichzeitig wird eine enge Zusammenarbeit mit den Vereinen und Institutionen der Gegend gepflegt: mit dem Clarissenhof, einer Altenpflege-Einrichtung der katholischen Keppler-Stiftung, der Stadt Ulm, der Caritas, ähnlichen Initiativen im Stadtgebiet und der Kirchengemeinde. Edith Scheffold und Wolfgang Seibold schlagen auf diese Weise Brücken, bauen Vorurteile vor dem Altenheim ab und bringen gleichzeitig Leben in den Clarissenhof.
Eine weitere „Errungenschaft" sind die Kümmererinnen in der Wohnanlage. Vier ehrenamtliche Damen, die selbst hier wohnen, kümmern sich um das gute Miteinander. Wie zum Beispiel Gudrun Martin. Sie nimmt alle Probleme auf und versucht, schnell eine Lösung zu finden. Oft sind es nur kleine Probleme wie z. B. die Begleitung eines Senioren zum Arzt. Schwierige Fälle verweist Gudrun Martin an DAN. Alle Bewohner der Wohnanlage kennen inzwischen die patenten Ehrenamtlichen und wissen ihre Hilfe zu schätzen. Und so hört Gudrun Martin nicht selten den Satz: „Gell, wenn ich Sie brauche, dann kann ich doch kommen?"
Durch den Einsatz der Kümmererinnen hat sich das Klima verbessert. „Die Menschen sind zufriedener", zieht Wolfgang Seibold Bilanz. Über fünf Jahre Aufbau- und Beziehungsarbeit in der Wohnanlage tragen Früchte. Das merkt auch die Sozialarbeiterin der Stadt Ulm; sie verzeichnet weniger Streitigkeiten, weniger Verwahrlosung und weniger Vereinsamung. Doch für die Kümmererinnen ist der Job nicht immer ganz einfach. Wenn sie alte, einsame Menschen besuchen, können und wollen sie sich nicht schon wieder nach einer Viertelstunde verabschieden. Das kostet Zeit. Im ganzen Jahr. Oder: „Wenn sich eine alleinstehende Frau einen Arm gebrochen hat, muss man täglich zum Waschen und Verbinden hin", so Gudrun Martin. Viele Menschen fallen durch das Pflegenetz, erhalten keine Leistungen der Pflegeversicherung. Und ein ambulanter Dienst ist zu teuer für sie. Bei Notfällen muss die Ehrenamtliche schnell reagieren und Hilfe organisieren. „Dafür erhalten wir viel Dankbarkeit", so Gudrun Martin. Und das tröstet sie etwas über die psychische Belastung hinweg, der sie durch ihren Dienst ausgesetzt ist. Eine Hilfe ist auch der Besuchsdienst der Kirchengemeinde, der einspringen kann.
Kein Wunder, dass es nicht leicht ist, neue Ehrenamtliche zu gewinnen. „Für diese dauerhafte Aufgabe findet man kaum Leute, zumal die Arbeit oft auch psychisch belastend ist", sagt Edith Scheffold. Viele Einsätze liegen auch an der Grenze zur professionellen Pflege. Hier muss sie als Einsatzleitung die Schnittstelle genau beachten.
Neben ihrem Dienst bei DAN sind Edith Scheffold und Wolfgang Seibold als Seelsorger im Einsatz. Über ein Jahr lang haben sie sich an zahlreichen Wochenenden zum ehrenamtlichen Seelsorger in der Altenhilfe ausbilden lassen. Nun gestalten sie im Clarissenhof drei Wortgottesdienste im Monat und sind Ansprechpartner für die 145 Bewohner in – wirklich – allen Lebensfragen. Denn Seelsorge bedeutet nicht nur Gottesdienst und Krankenkommunion, sondern umfasst alle Bereiche sozialer, kultureller und pflegerischer Begleitung – bis zur Begleitung Sterbender und zur würdigen Verabschiedung. Außerdem organisiert das Duo Scheffold/Seibold von Donnerstag bis Sonntag jeweils für zwei Stunden ein offenes Café im Clarissenhof, um Begegnung und Miteinander zu stärken.
Johanna Schlotter, eine 94-jährige Bewohnerin, schätzt diesen Dienst sehr. Sie nennt ihn „Christenpflicht" und ist froh, dass Edith Scheffold und Wolfgang Seibold nach ihr schauen. Für sie sind die beiden „eine Brücke nach draußen", in die Welt vor den Toren des Heims. Deshalb fühlt sich Johanna Schlotter pudelwohl im Clarissenhof und will sich über nichts beschweren. „Was würden wir hier ohne Sie machen?" fragt die rüstige Dame und entlohnt mit ihrer Dankbarkeit die Ehrenamtlichen.
Die Begleitung der Ehrenamtlichen liegt Edith Scheffold und Wolfgang Seibold am Herzen, und sie organisieren Fort- und Weiterbildungen. Aus eigener Erfahrung wissen sie, wie wichtig spirituelle Angebote für Ehrenamtliche sind. Diese brauchen einen Ort, wo sie auftanken und sich austauschen können. Scheffold, die Diözesanvorsitzende bei den Caritas-Konferenzen ist, sagt: „Ich habe meinen Platz im Ehrenamt gefunden. Es bereichert mich jeden Tag von Neuem. Ich hoffe, diesen Dienst noch lange tun zu können und möchte andere dazu ermutigen."
Kontakt: Edith Scheffold, Rudolfstraße 14, 89077 Ulm, info@dan-ev.de, www.dan-ev.de