2000 Jahre Nächstenliebe
Die neue große kunst- und kulturhistorische Ausstellung im Diözesanmuseum Paderborn nimmt vom 24. Juli bis 13. Dezember erstmals die Geschichte der tätigen Nächstenliebe in den Blick und zeigt, wie das Thema sich in Kunst und Kultur der verschiedenen Epochen auf jeweils eigene Weise dargestellt hat. Der Schwerpunkt der Schau liegt auf der christlichen Nächstenliebe, der Caritas, einer Idee, die in ihrer kompromisslosen Hinwendung zum Mitmenschen zu Beginn geradezu revolutionär war.
Anlass für die Ausstellung ist das 100-jährige Bestehen des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn, der auch an der Gestaltung der Ausstellung mitarbeitet. „Am 8. Dezember 1915 wurde unser Verein vom damaligen Bischof Karl Joseph Schulte als Reaktion auf die beispiellosen sozialen Herausforderungen im Ersten Weltkrieg gegründet“, erläutert Domkapitular Dr. Thomas Witt, Vorsitzender des Diözesan-Caritasverbandes. „Wir freuen uns, durch die zahlreichen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr und die Ausstellung im Diözesanmuseum den Blick der Menschen wieder auf den Dienst am Nächsten lenken zu können.“
Für die Ausstellung unter dem Titel „CARITAS – Nächstenliebe von den frühen Christen bis zur Gegenwart“ kommen hochkarätige Exponate aus bedeutenden Museen und Sammlungen aus ganz Europa und den USA nach Paderborn, darunter solche aus der Pinacoteca Vaticana, der Chester Beatty Library in Dublin oder dem Metropolitan Museum in New York. Antike Sarkophage, Wandmalereien aus römischen Katakomben und mittelalterliche Schatzkunst sowie Gemälde und Zeichnungen namhafter Künstler – etwa Raffael, Lucas Cranach der Ältere oder Max Liebermann – erzählen von den unterschiedlichen Vorstellungen und Formen der Caritas durch die Jahrhunderte. Eindrückliche Videoinstallationen transportieren das Thema in die Gegenwart.
„Mitgefühl und soziales Engagement waren schon immer Beweggründe für die helfende Anteilnahme am Leiden anderer“, erläutert Alfons Hardt, Generalvikar des Erzbischofs von Paderborn. „Dadurch, dass Christus die Nächstenliebe mit dem ersten der zehn Gebote verband und ihr so zentrale Bedeutung verlieh, entstand ein völlig neues Konzept menschlichen Miteinanders, das unsere Gesellschaft bis heute prägt.“ „Eine bislang einmalige kulturhistorische Rückschau auf die Geschichte der Nächstenliebe“ sei die Ausstellung, sagt Prof. Dr. Christoph Stiegemann, Direktor des Diözesanmuseums Paderborn. „Und auch ein Thema von geradezu brennender Aktualität.“
Die Ausstellung beginnt mit den Ursprüngen der Caritas bei den frühen Christen, folgt den Spuren ihrer Institutionalisierung in den Herrschaftsgebieten mittelalterlicher Könige und Bischöfe und beleuchtet die Gründung der ersten Hospitäler, Armen- und Waisenhäuser in Zeiten von Pest, Kriegen und Hungersnöten. Zum Einsatz von Ordensgemeinschaften, die sich der Armen- und Krankenpflege widmeten, kam im 19. Jahrhundert als Antwort auf Massenverelendung und Armut infolge der industriellen Revolution das Engagement von Laien hinzu. Diese gründeten caritative Vereine auch im Bereich des Bistums Paderborn: Elisabeth-Vereine (heute Caritas-Konferenzen) entstanden auf der Ebene der Kirchengemeinden, so 1845 in Olpe und 1847 in Soest. 1849 entstand in Paderborn die erste Vinzenz-Konferenz. Die Gründung der heute noch bestehenden caritativen Verbände erfolgte in der Diözese Paderborn zwischen 1890 und 1915. So der Verein für Jugendhilfe 1894, der Sozialdienst katholischer Frauen 1899 und Männer 1912, IN VIA Katholische Mädchensozialarbeit 1907, die Josefs-Gesellschaft 1904 und der Kreuzbund 1905. 1906 wurde in Dortmund der erste örtliche Caritasverband des Bistums gegründet.
Ein eigenes Kapitel der Ausstellung beschäftigt sich denn auch mit dem Wirken dieser caritativen Verbände, aber auch internationaler Hilfsorganisationen vor dem Hintergrund der beiden Weltkriege des 20. Jahrhunderts. Als 1914 die ersten Kriegsgefangenen in der Senne bei Paderborn eintrafen, begründete der Paderborner Bischof Karl Josef Schulte die Kirchliche Auskunfts- und Kriegshilfestelle in Paderborn. Sie ermittelte Vermisste aller kriegsbeteiligten Parteien, setzte sich aber auch in der Gefangenenfürsorge ein. Nach dem Ersten Weltkrieg erwarb sich der Suchdienst des Caritasverbandes für vermisste alliierte Kriegsgefangene großes internationales Ansehen. Am 8. Dezember 1915 erfolgte unter dem Eindruck des Ersten Weltkrieges die Zusammenfassung der zersplitterten caritativen Aktivitäten im Bistum durch Bischof Karl Joseph Schulte in einem diözesanen Caritasverband. Der Sitz des Verbandes war zunächst Dortmund, 1917 wurde er nach Paderborn verlegt. Bis zum Ende der Weimarer Republik erfolgte ein stetiger Ausbau der organisierten Caritas auch in den ländlichen Bereichen.
Zur Ausstellung wird es ein breit angelegtes museumspädagogisches Programm geben u.a. für Kinder und Familien sowie für und mit Menschen mit Behinderung. Die neue Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Oscar Andrés Kardinal Rodrígez Maradiaga, S.D.B., Präsident von Caritas Internationalis.