Kein Zufall: Wie man zur Stifterin wird
Auf dem Flur eines schwäbischen Mehrfamilienhauses begann die Geschichte, von der Ivanka Cugura heute sagt, dass "Gott dabei Regie geführt hat". Sie war 1972 aus Kroatien nach Deutschland zum Studieren gekommen, hatte geheiratet und eine Stelle bei der Diözese Rottenburg-Stuttgart angenommen.
1979 zogen sie und ihr Mann in das Haus im bürgerlichen Stuttgarter Westen. Dann, vor Heiligabend, luden die Nachbarn von gegenüber die Neuen zum Kaffee ein. Aus dem Kennenlernen entstand eine Freundschaft zu dem Juristen Karl Kohler und seiner Frau Ulrike. Ab da spazierte Ivanka Cugura immer mittwochs über den Flur, um mit den Kohlers zu reden, zu lachen und ein oder zwei Gläser Wein zu trinken.
Aus Sympathie wurde Vertrauen. Als Karl Kohler in den neunziger Jahren erkrankte, kümmerte Ivanka Cugura sich um das kinderlose Ehepaar, sah nebenan nach dem Rechten. Auch die Kohlers gaben ihr in schwierigen Phasen Halt, etwa bei der Trennung von ihrem Mann. Als Karl Kohler 1999 starb, kümmerte sie sich um seine Frau - als diese erkrankte, war sie jeden Tag für sie da, bis zum Tod Ulrike Kohlers im Jahr 2006.
Und dann war sie spürbar: "Die Regie Gottes", erklärt Ivanka Cugura die Wendung in ihrem Leben mit einem Lächeln. Denn sie erbte von den Kohlers ein Millionenvermögen, auch die Wohnung, in der sie heute lebt und in der sie damals so oft zu Besuch war.
Das Erbe kam überraschend
"Ulrike und Karl Kohler waren immer bescheidene Menschen, sie haben sich nie viel aus Geld gemacht", sagt sie. Für sie war schnell klar, dass sie das Vermögen nicht für sich behalten will. Schon für ihre Eltern war es selbstverständlich, regelmäßig in die Kirche zu gehen und Armen zu helfen. Auch für Ivanka Cugura heißt glauben, nicht nur auf das Gute zu hoffen. Wenn schon Gott in ihrem Leben Regie geführt hat, wollte sie selbst etwas für eine gerechtere Welt tun. Deshalb endete ihre Geschichte nicht im Mehrfamilienhaus, sondern fing dort erst so richtig an.
Sie entschied sich, den Großteil des Geldes, 1,5 Millionen Euro, zu stiften. Die "Ivanka Cugura - Ulrike und Dr. Karl Kohler Stiftung" gründete sie 2006 unter dem Dach der CaritasStiftung "Lebenswerk Zukunft" der Diözese Rottenburg-Stuttgart und konnte so deren Strukturen nutzen, etwa bei der Verwaltung. Den Stiftungszweck bestimmte Cugura aber selbst: Sie hilft Mädchen und jungen Frauen in Afrika und Südamerika, damit diese zur Schule gehen können. Frauen haben auf armen Kontinenten oft nur wenig Möglichkeiten, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Der Schlüssel dazu wäre Bildung: "Doch wenn eine Familie etwas Geld hat, lässt sie zuerst die Söhne in die Schule gehen oder studieren", bedauert Cugura.
Ihr neues Leben als Stifterin erfüllt sie
Im Süden Tansanias unterstützt sie 30 Mädchen in der Grundschule und ermöglichte 25 die mittlere Reife. In Benin, Westafrika, baut ihre Stiftung ein Heim für 50 Mädchen, auch für die vielen Aidswaisen im Land. Betreut werden sie von Ordensschwestern. Zudem hilft sie einem kroatischen Pfarrer, ein Kirchenzentrum im Norden Tansanias für 35000 Menschen aufzubauen. Bei ihren Projekten nutzt sie die kirchlichen Strukturen vor Ort, die sie schon von ihrer Arbeit bei der Diözese kannte. Ihr neues Leben als Stifterin erfüllt sie. Sie besucht ihre Projekte und schaut vor Ort nach dem Stand der Dinge.
Nun, mit 68, blickt Ivanka Cugura staunend auf die vielen Wendungen in ihrem Leben: Kroatien, Deutschland, das Ehepaar Kohler, das Erbe, die Mädchen in Afrika und Südamerika. "Ich habe die Kohlers nicht gesucht und sie mich nicht", sagt sie. Selbst der Job bei der Diözese habe sich so ergeben. Zufall war das alles für sie trotzdem nicht.