Helfen kann auch, wer Hilfe braucht
Sich nicht nur helfen zu lassen, sondern sich gegenseitig zu unterstützen ist das Prinzip der "Helping Hands" – einer Gruppe von sieben Flüchtlingen. "Wenn jemand Hilfe braucht, heißt das ja nicht, dass er selbst nicht auch anderen helfen kann", sagt Kibreab Habtemichael, von allen Kebi genannt. Die "Helping Hands" wohnen wie die anderen Flüchtlinge auch in den drei Viernheimer Unterkünften und fungieren dort als Ansprechpartner für die Bewohner. Außerdem bieten sie in Räumen der Kirchengemeinde eine Sprechstunde an. Auch Viernheimer können kommen.
Viernheim sagt Ja zu Flüchtlingen
Kebi, der aus Äthiopien stammt, war Dozent für Geopolitik an der Universität von Addis Abeba. Inzwischen ist der 30-Jährige Anlaufstelle für alles und jeden. Die Viernheimer bringen ihm sogar Bettwäsche oder Winterjacken für die Flüchtlinge. Diese verteilen er und die "Helping Hands" dann je nach Bedarf in den Wohnheimen. Umgekehrt schreibt er auf, woran es dort fehlt. Auch wer einen deutschen Sprachpartner sucht oder sich für ein Berufspraktikum interessiert, notiert er sich. Die Asylsuchenden werden dann mit einem Tandem-Gesprächspartner zusammengebracht oder können im passenden Betrieb ein Praktikum machen (dazu mehr im Sozialcourage-Artikel "Packen wir's an".
Die Flüchtlinge sind eine Bereicherung
Das Flüchtlingsprojekt "Ich bin ein Viernheimer" setzt auf die Hilfe zur Selbsthilfe, betont Pfarrer Angelo Stipinovich (50), der zusammen mit seinem Gemeindereferenten Herbert Kohl die Triebfeder des Projektes ist. Denn die Flüchtlinge wollen etwas lernen, sie wollen arbeiten und selbstständig sein. Dass sie ihr Schicksal selbst in die Hände nehmen können, beweist schon allein ihre Flucht. Deutschland wird von ihren Fähigkeiten profitieren können: "Ich erwarte, dass diese Leute einmal meine Rente bezahlen", sagt Herbert Kohl (50) augenzwinkernd.
Justiziar des Bistums berät zum Asylrecht
Zwei Themen beschäftigen die Flüchtlinge in den Beratungen vor allem: Arbeit und Wohnen. Das Wichtigste aber, das die Menschen umtreibt: ihr Asylverfahren und ihre rechtliche Situation. Hier werden sie vom Bistum Mainz und dessen Justiziar unterstützt. Die ungewisse Zukunft hängt wie ein Damoklesschwert über ihnen. Auch die jungen Eritreer Amlesom und Ali von den "Helping Hands" wissen nicht, wie es für sie weitergeht. Ali würde gerne Krankenpfleger werden. Doch wegen der Dublin-III-Regelung droht vielen Flüchtlingen die Abschiebung. Denn jeder Asylbewerber kann aus Deutschland wieder in das Land zurückgeschickt werden, über das er nach Europa eingereist ist, solange dieser Drittstaat als sicher gilt. Kebi hat in dieser Hinsicht Glück. Er schreibt an der Uni Speyer seine Doktorarbeit und gilt als Student. "Damit fällt er raus aus der Asylkiste", erklärt Kohl.
Das Flüchtlingsprojekt "Ich bin ein Viernheimer" …
… wurde von Angelo Stipinovich, Pfarrer der Kirchengemeinde St. Michael - St. Hildegard in Viernheim, und Gemeindereferent Herbert Kohl angestoßen. Als die ersten Flüchtlinge im November 2013 in die Kleinstadt kamen, war den beiden klar: Für die 110 Menschen aus Eritrea und Äthiopien muss man was tun. Die Ehrenamtlichen der Gemeinde organisierten Begegnungsabende und Deutschkurse. Stipinovich und Kohl suchten Kontakt zur Kommune und zu lokalen Unternehmen. Das Ziel: Die Asylsuchenden sollen sozial und sprachlich, aber auch beruflich integriert werden.
Eine ausführliche Reportage dazu lesen Sie in der Printversion der Sozialcourage 02/2015.