"Caritas-Urgestein" geht
"50 Jahre sind in der Weltgeschichte eine kurze Zeit, für ein Menschenleben unter Umständen eine Lebenszeit", mit diesen Worten beginnt der Leiter der Caritas-Regionalstelle Senftenberg Clemens Wilkowski seine Rede am 23. Januar im Haus der Caritas in Senftenberg vor etwa 40 geladenen Gästen. Das Thema lautet: "Wandel von der Dekanatsfürsorge zur Caritas-Regionalstelle". Wilkowski blickte zurück auf ein halbes Jahrhundert Caritasarbeit im Dekanat, spricht von den schweren Anfängen seiner Vorgänger, der Fürsorger.
Bescheidene Anfänge im Pfarrbüro
Der erste Caritas-Fürsorger war Reinhard Bögner, der drei Jahre nach dem Mauerbau mit der Arbeit im damaligen Dekanat Senftenberg-Finsterwalde begann. Ein eigenes Büro gab es nicht; er arbeitete von einem Schreibtisch im Pfarrbüro Senftenberg aus. Schreibmaschine "Erika", ein Trabant 500, Taschenlampe, Notizblock und Stift sind seine Ausrüstung. Auf Fürsorger Bögner folgten 1974 Monika Priefer und 1980 Clemens Wilkowski und seine Frau Ursula. Die Autobahn sorgte für klare Trennung ihrer "Reviere". Die Fürsorger waren durch die Kirche ausgebildet, der DDR-Staat erkannte die Ausbildung ebenso wenig an wie die Tätigkeit selbst, die mehr oder minder nur geduldet war. Hinter vorgehaltener Hand hörte man mitunter Anerkennung für die Arbeit mit und für körperlich und geistig Behinderte, Blinde. Mit der Wende wurden aus Fürsorgern Sozialarbeiter. Sie und die Caritas sind gefragt, nicht nur bei den Hilfesuchenden, sondern jetzt auch bei staatlichen Institutionen. Nöte sind geblieben, Drogen und Arbeitslosigkeit kamen hinzu.
Am Elektroklavier setzte Christiane Weber aus Lauta die Finger auf die Tasten, spielte das Stück "Der Schwan” von Camille Saint-Saëns und leitete damit über zum Vortrag von Michael Standera, Abteilungsleiter Gesundheit und Soziales beim Caritasverband des Bistums Görlitz. Er befasst sich mit dem Thema "Die Bedeutung der Caritasarbeit für Kirche und Gesellschaft".
Nicht Selbstzweck, sondern Dienst am Nächsten
Michael Standera sagt: "Wenn wir Zukunft gestalten wollen, dann müssen wir nach vorn schauen. In einem chinesischen Sprichwort heißt es: ‚Wenn du den Fluss siehst, vergiss die Quelle nicht‘. Die Frage, wohin wir in Zukunft gehen, steht in Verbindung mit der Frage, woher und aus welcher Tradition kommen wir? Und auf welchem Fundament stehen wir?" Ohne Rückblick keine Perspektive: Der Redner erinnerte an Ereignisse aus den 50 Jahren und daran, dass Caritas "zu den Grundfunktionen der Kirche" gehört. "Die katholischen Bischöfe und Menschen in unseren Gemeinden wollten nicht, dass die Kirche vom Staat nur auf den Gottesdienst und die sogenannten religiösen Handlungen reduziert wird. Für uns war klar, zum Gebet gehört auch der Dienst am Nächsten." Die Ansichten von Staat und Kirche über die verfassungsmäßig garantierte Religionsfreiheit gingen mitunter stark auseinander. Die "Caritas als ‚Wesens- und Lebensäußerung der Kirche‘ sollte, wie die Kirche insgesamt, ihres Einflusses beraubt und aus der Öffentlichkeit verdrängt werden", so Michael Standera, der dankbar daran erinnerte, dass "ohne die finanzielle Unterstützung der Bistümer aus Westdeutschland die Arbeit der Kirchen und darin der Caritas nicht zu machen gewesen wäre".
"Fragen aber bleiben: Wo wird heute die Caritas gebraucht und wo könnte ihr Wort und Handeln von Bedeutung sein? Caritas ist nicht nur Dienstleister, sondern auch Gestalter der Sozialpolitik. Auch künftig ist zu berücksichtigen: Geht an die Ränder der Gesellschaft - denn Caritas ist nicht Selbstzweck, sondern Dienst am Nächsten. Daran werden wir gemessen", so Michael Standera.
Verbindungen bauen, die halten
Es folgten Gruß- und Dankworte an Clemens Wilkowski durch Vertreter des Brandenburgischen Landtags, des Landkreises Oberspreewald-Lausitz, durch die Bürgermeister von Großräschen und Senftenberg. Caritasdirektorin Gabriela Pokall ließ in ihrer Rede das Arbeitsleben von Clemens Wilkowski, mit Fachtermini aus seinem früheren Beruf Elektromonteur, Revue passieren. Sie sprach vom "Abschied-Nehmen von einem ‚Urgestein‘ der Caritas im Bistum Görlitz" und schloss an diese Worte einen Rückblick an. "Als gelernter Elektromonteur haben Sie viel mit Fernmeldetechnik zu tun gehabt. Auf Montage haben Sie Funkverbindungen geschaffen und eingerichtet", so die Caritasdirektorin. Sie sprach von der gewachsenen Berufung zum Fürsorger. "In vielen Gesprächen hat sich Ihr Sinn, Ihr Ohr für soziale Belange und Sorgen derjenigen, die um Sie herum waren, mit denen Sie durch die Arbeitswelt gingen, gebildet und verfeinert. Ihre Aufgabe war es, Verbindungen zu bauen, die halten: Telefon-Funkverbindungen zu legen, die Nachrichten möglichst störungsfrei durchlassen. Das war Ihr ganz ursprünglicher Job. Ich würde sagen, in gewisser Weise ist er es bis zum Schluss geblieben, nur auf einer anderen Ebene."
Caritasarbeit ist Vertrauensarbeit
Der erste Vorsitzende der Diözesancaritas, Prälat Hubertus Zomack, ehrte Clemens Wilkowski, das "Caritas-Urgestein", wie er sagte, mit der Johannes-Zinke-Medaille. "Sozialarbeit, Ihre Sorge um die Mitmenschen, hat wohl mit ihrer Familie zu tun. Ihr Vater, der das St. Carolus-Krankenhaus über viele Jahre leitete, hat das Johannes-Zinke-Haus errichten lassen; darin wohnten Krankenpflegeschülerinnnen und lernten in diesem Haus." Clemens Wilkowski fügte an, dass er Johannes Zinke noch persönlich kannte, aus seinem Elternhaus, wo Johannes Zinke, der erste Caritasdirektor des heutigen Bistums Görlitz, zu Besuch war.
In seiner letzten Rede als Leiter der Caritas-Regionalstelle in Senftenberg sagte Clemens Wilkowski unter anderem: "Da Not immer persönlich erlebt wird, benötigen Rat- und Hilfesuchende persönliche auf Vertrauen beruhende Zuwendung. Caritas-Fürsorge und Caritas-Sozialarbeit ist Vertrauensarbeit." Damit dies auch weiterhin klappt, übergab er seiner Nachfolgerin, Bettina Schwarz, den Generalschlüssel und einen Caritas-Staffelstab.
Für Clemens Wilkowski wird es weiterhin viel zu tun geben: In der Arbeit mit Menschen mit Behinderung will er sich weiter ehrenamtlich engagieren. Die alte Modell-Eisenbahn liegt seit dem letzten Umzug in der Kiste. Die holt er nun raus. Am liebsten ist er im Garten und in der Natur. Zeit dazu hat er jetzt.
Quelle:
Homepage des Bistums Görlitz und "Tag des Herrn" - Kath. Wochenzeitung