Floriansjünger suchen Verstärkung
Çetin Karançı ist Feuerwehrmann mit Leib und Seele und will andere mit seiner Begeisterung anstecken. Er war fünf, als seine Eltern ihn aus der Türkei nach Deutschland holten. Anfang der 1970er-Jahre waren sie in den Schwarzwald ausgewandert. Heute ist ihr Sohn Kommandant der Feuerwehr Neubulach, zu der fünf Gemeinden gehören. Bis dahin war es ein weiter Weg.
Im Kindergarten konnte er sich anfangs nur mühsam verständigen. Eine deutsche Familie half ihm, Deutsch zu lernen. Er machte seinen Schulabschluss, dann eine Ausbildung. Beim Autobauer Daimler ist er heute stellvertretender Meister in der Logistik. 1994 trat er der Freiwilligen Feuerwehr Neubulach, Abteilung Liebelsberg, bei, wo er nicht nur die Feuerwehr-, sondern auch die Karriereleiter erklomm: Nach zwei Jahren wählten ihn die Kameraden zum Abteilungskommandanten von Liebelsberg, später zum Feuerwehrkommandanten von Neubulach. Seitdem ist er der Kopf von 175 Feuerwehrleuten. Zudem ist er beim Deutschen Feuerwehrverband (DFV) wichtiger Ansprechpartner in Sachen Integration. Dennoch: Seine Erfahrungen waren nicht nur positiv: Als türkeistämmiger Feuerwehrmann habe er es im ländlichen Schwarzwald nicht immer leicht gehabt. Das hat sich gründlich geändert: 2012 schlugen ihn seine Kameraden sogar für den Neujahrsempfang beim Bundespräsidenten vor, der damit bürgerschaftlich besonders engagierte Menschen ehrt.
Warum hat Çetin Karançı sich gerade die Feuerwehr ausgesucht? "Die ganze Technik rund um das Feuerwehrauto hat mich fasziniert und natürlich weil ich anderen Menschen in Not helfen will." Noch ist er eine Ausnahme unter den Floriansjüngern: Nur ein Prozent der 1,3 Millionen Angehörigen von Freiwilligen-, Jugend-, Berufs- und Werkfeuerwehren an bundesweit 32000 Feuerwachen und Gerätehäusern haben Schätzungen zufolge eine Zuwanderungsgeschichte. Das soll sich nach dem Willen des DFV ändern, weil es nicht mehr die Realität einer Gesellschaft mit einem Migrantenanteil von 20 Prozent abbilde. Der Verband will die Feuerwehr mitten in dieser Gesellschaft angesiedelt wissen, und dafür tut er was. In einer ersten Kampagne zur interkulturellen Öffnung im Jahr 2012 sollten die eigenen Mitglieder für "ein offenes Miteinander" sensibilisiert werden - mit Workshops, Schulungsmaterial und Praxisbeispielen für Multiplikator/innen. In diesem Frühjahr beginnt er mit einer zweiten Kampagne erneut die Werbetrommel zu rühren. Mit dem Slogan "112 Feuerwehr - Willkommen bei uns!" lädt er Menschen mit Migrationshintergrund gezielt ein zum Dialog: Er informiert über die Organisationsstrukturen bei der Feuerwehr und über Notfälle, bei denen sie zum Einsatz kommt. Das sind längst nicht nur Brände, sondern auch Unfälle, Überschwemmungen, Umweltgefährdungen. Dafür braucht er engagierte Freiwillige, und die hofft er vermehrt auch unter zugewanderten Menschen zu finden. Für sie selbst könnte es eine gute Gelegenheit sein, sich in der Gesellschaft, in der sie leben, zu verankern. Für die Feuerwehren wären sie nach deren eigenen Aussagen eine Bereicherung.
Informationen: www.feuerwehrverband.de/112-willkommen0.html