Von Versöhnung und Partnerschaft
es ist eine einzigartige Einrichtung in den Weiten Russlands: das Heilpädagogische Zentrum (HPZ) Pskow. Die 20-jährige Christina Spitzmüller aus dem Schwarzwald leistete dort in der einzigen Förderschule für Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ). "Ich wollte nach dem Abitur nicht gleich studieren, sondern ein Jahr ,körperlich‘ arbeiten", erzählt sie. "Außerdem wollte ich nach meinem Auslandsschuljahr in Russland gerne noch mal ein Jahr dort verbringen." Eher zufällig stieß sie auf die "Initiative Pskow", die ihr dies ermöglichte. Hier berichtet sie ihre Eindrücke:
"Ein großes Schild am Straßenrand weist den Weg zu Russlands einziger Förderschule für Kinder und Jugendliche mit geistigen Behinderungen. In dieser Einrichtung, wie sie in Deutschland zum Standard gehört, leiste ich mein FSJ ab. Es gibt zwar in jeder größeren russischen Stadt Sonderschulen, aber keine für schwer mehrfach behinderte Kinder. Sie landen meist in ‚Internaten‘, das sind oft gefängnisartige Kinderheime mit chronischem Mangel an Pflegepersonal und einer Ration von zwei Windeln pro Tag.
Das HPZ in Pskow nimmt somit eine Vorreiterrolle in Russland ein. Anfang der Neunzigerjahre unternahm eine Gruppe evangelischer Christen aus dem Rheinland eine ‚Versöhnungsreise‘ nach Pskow, einer der am stärksten vom Zweiten Weltkrieg zerstörten russischen Städte. Bei der einen Reise blieb es aber nicht, denn schnell war klar, in welchem Bereich die Stadt dringend Hilfe brauchte: Behindertenhilfe war praktisch nicht vorhanden, und eine Elterngruppe mit behinderten Kindern bat um Unterstützung. Hier werden täglich rund 50 Kinder zwischen sieben und 18 Jahren betreut und unterrichtet. Zusätzlich gibt es eine Frühförderstelle, einen Kindergarten, das ‚Projekt Wohnen‘, wo junge Menschen mit Behinderungen in Trainingswohnungen lernen, selbstständig zu leben, und die Integrationswerkstatt, in der die behinderten Jugendlichen nach Abschluss der Schule eine Arbeits- oder Betreuungsstelle finden.
Nach 18 Jahren Trägerschaft durch die Initiative Pskow ist das Zentrum vor drei Jahren in die Hand der Stadt und Region Pskow übergegangen. Dass die russischen Kinder ‚Tempo, kleine Schnecke‘ spielen und deutsche Bilderbücher anschauen, ist trotzdem kein ungewöhnliches Bild: Die Unterstützung der deutschen Partner ist immer noch wichtig für die Weiterentwicklung des HPZ.
Da es in Russland kaum Materialien gibt, auf die Pädagogen zurückgreifen können, und die Programme aus Deutschland sich auch nicht immer eins zu eins umsetzen lassen, ist der Einsatz der Mitarbeiter des HPZ gefragt. Die Lehrerinnen haben keine Sonderpädagogik-Ausbildung, so etwas gibt es in Russland nicht. Meist sind es Grundschullehrerinnen oder Logopädinnen. ‚Learning by doing‘ ist das Motto. Ohne Kreativität und Improvisation läuft hier nichts. Aber da Russen Meister der Improvisationskunst sind, klappt es immer irgendwie. Und so kann auch ich als deutsche FSJlerin inzwischen russische Gedichte über einen Hahn, den Frühling und zum Muttertag aufsagen, weiß, wie Zimmerpflanzen richtig gepflegt werden und kenne das Rezept für den besten Salzteig der Welt. Der steht nämlich in diesem Jahr für die Schüler aus meiner Klasse auf dem Lehrplan. Das Highlight der Woche ist aber die Kochstunde freitags. Wenn Sonja, Andrej, Mischa, Kirill & Co. selbst Gemüse für ihren Salat schnibbeln oder sich belegte Brote schmieren, freuen sie sich riesig, weil sie das selbst Zubereitete beim anschließenden Frühstück auch gleich aufessen dürfen."
Kontakt: www.initiativepskow.de