Moderne Nachbarschaftshilfe in vielen Sprachen
Ihre drei Mädchen sind herangewachsen, nur um den temperamentvollen Rachid (8) muss sie sich etwas intensiver kümmern. "Ich muss jetzt etwas für mich machen," hat Rabea Ammoun Dabliz beschlossen. Indem sie etwas für andere tut. Die 46jährige Libanesin, die seit 18 Jahren mit ihrer Familie im Stadtteil Habinghorst in Castrop-Rauxel wohnt, ist "Stadtteilmutter" geworden, berät Familien aus ihrem Kulturkreis oder übersetzt, wenn es not tut aus dem Arabischen und Französischen. Vier ausgebildete Stadtteilmütter kann Astrid Dähnke inzwischen einsetzen, zwei weitere Interessentinnen hat sie gewonnen. Sie koordiniert das auf zwei Jahre angelegte Projekt für die Caritas in Castrop-Rauxel.
Kurz lässt sich die Idee als moderne Nachbarschaftshilfe beschreiben. Frauen mit Migrationshintergrund engagieren sich für zugewanderte Familien. Die Kenntnis der Kultur erweist sich dabei neben der Sprache als Türöffner, hat Astrid Dähnke erfahren. Ohne große Einleitung sofort einen Termin zu vereinbaren, geht beispielsweise in Familien aus dem arabischen Raum gar nicht. Da muss "erst einmal über die Kinder gesprochen werden und wie es so geht", hat sie gelernt und bemüht sich jetzt, "erst langsam zum Thema zu kommen."
Förderbedarf erkannt
Da hat Rabea Ammoun Dabliz wenig Probleme. Sie hatte bisher zwei Einsätze. In einem Fall gab es ein sprachliches Problem. Mit ihrer Übersetzungshilfe konnten für eine marrokanische Familie Anträge auf Arbeitslosengeld II und das Bildungs- und Teilhabepaket für die Kinder gestellt werden. Erkannt werden konnte so auch ein besonderer Förderbedarf für eines der Kinder.
Die Stadtteilmutter gibt aber nicht nur, sie hat auch klar im Blick, dass sie selbst viel gewinnt. Der Haushalt laufe jetzt und "ich kann nicht mein ganzes Leben mit Putzen verbringen," sagt Dabliz. Im Libanon hat sie einige Semester Psychologie studiert und als Lehrerin gearbeitet. Gleich bei der Ankunft in Deutschland ist sie in zwei Mutter-Kind-Gruppen gegangen und hat sich bemüht, die Sprache zu erlernen. "Mein Mann hat die Sat-Antenne so eingestellt, dass nur deutsche Programme zu empfangen sind", erzählt sie.
Mit Rabea Ammoun Dabliz und ihren Mitstreiterinnen kann die Caritas ein "neues Standbein in der Migrationsarbeit" aufbauen, freut sich Caritas-Mitarbeiterin Silvia Engemann. Die Stadtteilmütter kommen auch in Familien, in die "Stadtsozialarbeiter nicht kommen können". Die Angst vor dem Jugendamt ist noch weit verbreitet, da muss das Eis erst gebrochen werden.
Ursprung in Kreuzberg
Entstanden ist die Idee der Stadtteilmütter vor etwa zehn Jahren in Berlin-Kreuzberg, weiß Astrid Dähnke. In einigen wenige Städten, vor allem im Ruhrgebiet, gibt es sie inzwischen, in der Diözese Münster bislang nur in Castrop-Rauxel.
Den Ansatz boten Mittel aus dem Projekt "Soziale Stadt". Viele Ideen gab es dafür in der Kommune am Nordrand des Ruhrreviers, übrig geblieben sind letztlich die Stadtteilmütter. Das Geld reicht für zwei Jahre und die 15-Stunden-Stelle von Astrid Dähnke. Dabei kommen die Anfragen inzwischen über Habinghorst hinaus aus dem ganzen Stadtgebiet. Das ist, so Dähnke, nicht leistbar und ebenso werden in den Ansprüchen der Ämter Grenzen deutlich: Gesucht wurde eine Stadtteilmutter, die in den Alltag einer jungen griechischen Mutter Struktur bringen sollte. Aber dazu hätte sie ab 5 Uhr morgens bereit stehen müssen, erklärt Dähnke: "Das ist eher ein Fall für die Sozialpädagogische Familienhilfe".
Von Pontius nach Pilatus
Zu Beginn vor gut einem Jahr ist sie erst einmal "von Pontius nach Pilatus" gelaufen, um zu werben und die notwendigen Kontakte zu knüpfen. Jetzt geht es darum, weitere Interessentinnen zu finden, sie auf ihre Aufgabe vorzubereiten und ständig zu begleiten bei Fragen. Rabea Ammoun Dabliz schätzt, was sie gelernt hat. "Jetzt kann ich selbst Dinge in die Hand nehmen." Für Dähnke ist das der Idealfall, wenn beide Seiten etwas davon haben. Sie hat ihrer libanesischen Stadtteilmutter jetzt Informationen für einen E-Learning-Kurs "Frühe Hilfen" an der Uni Würzburg zukommen lassen.
Wie es mit dem Projekt in einem Jahr weiter geht, ist dagegen unklar. Während sich in umliegenden Städten verschiedene Wege der Finanzierung gefunden haben, ist die Lage in Castrop-Rauxel schwierig. Gespräche mit der Stadt, die das Projekt sehr schätze, seien gelaufen, sagt Silvia Engemann. Aber der fehle auch das Geld. Noch bleibt etwas Zeit zu suchen.