Vier Sterne mit Charakter
guten Morgen. Haben Sie gut geschlafen?", fragt Jessica Schätzlein den Gast am Frühstücksbuffet im "Franz", einem barrierefreien Hotel in Essen. Ein Lächeln ist für die Servicekraft die schönste Antwort. Jessica ist eine junge Frau mit Handicap. Wie sie haben im "Franz" rund die Hälfte aller Mitarbeiter eine Behinderung. Für sie ist das Integrationsunternehmen "in service" ein Sprungbrett für eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Das Unternehmen mit seinem Hotel gehört zum katholischen Franz Sales Haus (FSH), einer Einrichtung der Behindertenhilfe.
Seit gut einem halben Jahr arbeitet Jessica im "Franz". Die 21-Jährige hat eine Hörbehinderung und kognitive Einschränkungen: "Ich kann viele Geräusche nicht gut lokalisieren", beschreibt sie ihre Handicaps. "Und wenn es zu stressig wird, dann lässt schon mal die Konzentration ein wenig nach." Bevor sie ins Hotel kam, hat sie bei einem Floristen gearbeitet. "Das hat mir nicht so gut gefallen, und weil ich sehr schüchtern war, ist es mir sehr schwergefallen, mit den Kunden in Kontakt zu kommen."
Während eines Praktikums fiel Hoteldirektorin Karin Poppinga auf, dass Jessica Schätzlein gut in ihr Service-Team passen würde: "Sie ist bei uns richtig aufgeblüht und man sieht, dass ihr die Arbeit mit den Gästen sehr viel Spaß macht." Auch die Atmosphäre des Hotels gefällt der jungen Mitarbeiterin. "Ich freue mich jeden Morgen auf die Arbeit, denn die Kollegen sind alle so nett. Es macht einfach Spaß, mit denen zusammenzuarbeiten."
Von Schüchternheit kann keine Rede mehr sein: Als NRW-Staatssekretär Dr. Wilhelm Schäffer auf seiner Inklusionstour im Hotel Franz stoppte, kam sie spontan mit ihm ins Gespräch und berichtete von ihren Erfahrungen. "Ich habe hier schon so viel gelernt, bin viel schneller und offener geworden und fühle mich hier wirklich wohl", erzählte sie ihm.
Kollegialität wird großgeschrieben
Nur einmal kam sie in Schwierigkeiten: Einige Gäste hatten an der Hotelbar einen über den Durst getrunken. "Da hatte ich etwas Angst und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte", erinnert sie sich. Servicemann Marcos Smid kam ihr zur Hilfe, übernahm die Bedienung und half den Gästen anschließend, den Weg in ihre Zimmer zu finden. Kollegialität wird im Hotel großgeschrieben. "Toll, wie die behinderten Kollegen lernen und arbeiten", sagt Marcos Smid. Da könne man sogar als nichtbehinderter Mensch noch einiges lernen, was etwa das Engagement und die Identifikation mit dem Arbeitsplatz angehe.
Je nach Handicap gibt es individuelle Lösungen und Hilfen für die Mitarbeiter. Eine große Hilfe im Housekeeping ist ein Aufgabenbuch, in dem alle zu erledigenden Arbeiten und die Priorität der einzelnen Tätigkeiten verzeichnet sind. Jeder schaut selber nach, was noch zu erledigen ist. Arbeiten für Gäste haben immer Priorität. So lernen die Mitarbeiter auch, Zeiten abzuschätzen. Wenn eine Waschmaschine angestellt wird, können in der Zwischenzeit andere Arbeiten erledigt werden.
Nach den Sternen greifen
Das Engagement der Mitarbeiter hat dem Hotel sogar vier Sterne des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) eingebracht. Die Freude darüber ist bei Hoteldirektion und Geschäftsführung des Franz Sales Hauses groß, aber nicht ungetrübt: "Natürlich haben wir uns riesig gefreut", sagt Günter Oelscher, Direktor des Franz Sales Hauses. "Andererseits haben wir aber die Messlatte bei der Planung des Hotels bewusst bei drei Sternen angesetzt, weil wir den Erwartungen der Gäste gerne gerecht werden möchten."
Hoteldirektorin Karin Poppinga setzt daher vorerst auf Understatement: "Weil wir nicht wollen, dass uns jemand enttäuscht verlässt, haben wir entschieden, dass wir vorerst nicht so offensiv mit den vier Sternen werben." So setze man das Personal auch nicht unnötig unter Druck.
"Guten Abend. Hatten Sie einen erfolgreichen Tag?" Franz-Mitarbeiter Jörg Grabowski an der Bar weiß, wie er die Gäste aufmuntert - mit einem Drink und netten Worten. Der Mann mit einem leichten psychischen Handicap lebt mittlerweile in einer eigenen Wohnung. "Er sieht aber nach wie vor das Franz Sales Haus als seine Familie an", sagt Karin Poppinga und fügt hinzu: "Wir sind schon stolz auf unsere Mannschaft."
Was - wie - wo?
Das Stadt- und Tagungshotel "Franz" wurde im Mai 2012 eröffnet. Es bietet 48 barrierefreie Zimmer mit 90 Betten, einen Veranstaltungssaal für bis zu 300 Personen und Tagungs- und Seminarräume. Auch ein Fitnessraum sowie das Warmwasser-Schwimmbecken des zugehörigen Sportzentrums Ruhr können von den Gästen genutzt werden. Die Zimmerpreise sind moderat und beginnen bei 60 Euro für das Einzelzimmer.
Kontakt: Hotel Franz, Steeler Str. 261, 45138 Essen, Tel. 02 01/5 07 07-3 01, www.hotel-franz.de