Trauer im Glauben bewältigen
Von der vielbeschworenen „Verdrängung des Todes“ kann man schon seit Jahren nicht mehr reden: Zahlreiche Initiativen beschäftigen sich inzwischen mit Sterben und Tod. Die heutige Auseinandersetzung mit diesen Themen geschieht allerdings im Gegensatz zu früheren Zeiten häufig nicht mehr unter christlichen Vorzeichen. Gelegentlich wird sogar behauptet, der christliche Glaube störe den Trauerprozess. Dieser Vorwurf trifft jedoch nicht zu. Im Gegenteil: Dieser Glaube ist dazu in der Lage, die Betroffenen in ihrer Trauer zu unterstützen, und zwar den ganzen Trauerprozess hindurch:
- Da über den zentralen Glaubensinhalt von der Auferstehung Jesu Christi im Bewusstsein des gläubigen Menschen eine ständige Konfrontation mit der Wirklichkeit des Todes geschieht, wird die Verdrängung des Todes seit jeher durchbrochen. Dementsprechend gibt es deutliche Hinweise, dass es einem gläubigen Menschen besser gelingt, die Realität des Verlustes anzuerkennen.
- Da der christliche Glaube den Tod in seinem ganzen Schrecken sieht, hilft er dem Menschen dabei, Klage und Anklage zuzulassen und nicht zu unterdrücken. Jesus selbst hat gemäß dem Zeugnis der Evangelien um seinen toten Freund Lazarus geweint, am Ölberg Angst und Trauer erlebt sowie am Kreuz Schmerz, Enttäuschung und Verlassenheit herausgeschrien.
- Da der Christ an ein Leben nach dem Tod glaubt, können die im Verlauf der Trauer aufbrechenden Fragen nach einem Wiedersehen der Verstorbenen sowie nach einer Möglichkeit der Weiterführung der Beziehung zu ihnen eine tröstliche Antwort finden. So gesehen wirkt der christliche Glaube therapeutisch, indem er den Tod auf eine hilfreiche Weise umdeutet: Durch die Auferstehung Jesu ist er nicht mehr das ängstigende und hoffnungslose Ende und der Abbruch jeder Beziehung. Der Tod ist vielmehr der Durchgang zu einem neuen Leben, das auch der Weiterführung der Beziehung zu den Toten Raum und Rechtfertigung gibt. Das bedeutet: Christen erinnern sich an die Toten: Nicht damit sie leben, sondern weil sie leben.
Aus dieser Einsicht ergeben sich wichtige praktische Konsequenzen: Eine christliche Deutung des Todes, die eine Hoffnung über den Tod hinaus eröffnet, ist für das seelische Wohlbefinden des Menschen von großer Bedeutung. Wenn ein Mensch Zugang zu dieser Hoffnung hat, gibt es keinen Grund, warum diese wichtige Bewältigungshilfe nicht in Beratung und Psychotherapie einbezogen werden sollte. Auf diesem Hintergrund wird auch deutlich, dass eine religiöse Erziehung als Keimzelle für eine solche Hoffnung für die seelische Gesundheit eine wichtige Rolle spielt. Wer sie Kindern vorenthält, bringt sie um einen wichtigen Bewältigungs- und Schutzfaktor bei seelischen Krisen, die das Leben in Gestalt von Tod und Endlichkeit immer wieder mit sich bringt.
Buchtipp dazu:
Thomas Schnelzer: Trauernde trösten
Pustet-Verlag, 2005, 125 Seiten
13,90 Euro, ISBN 3-7917-1952
Der Autor des Buches sowie des Artikels ist Diplom-Theologe sowie -Psychologe