Hilfe zum Ausstieg aus der Prostitution
In der großen Werkhalle der Fabrik "Creaciones Miquelina" rattern Nähmaschinen. Rund 200 Frauen produzieren hier Kleidung. Alicia Gomez Quintero (36) bringt gerade die Kapuze an einer Jacke an. Die Schneiderin war bis vor einigen Jahren eine Prostituierte in Kolumbiens Hauptstadt Bogotá. "Ich lebte mit vielen Problemen auf der Straße, war drogenabhängig. Schon mit 14 Jahren ging ich auf den Strich", erzählt sie. Ihr Lebenspartner ließ sie mit zwei Töchtern allein. Glücklicherweise informierte sie ein Pfarrer über das Hilfsprogramm der Hermanas Adoratrices (Schwestern der Anbetung) "Ciudadela María Micaela". Hier erhielt sie psychologische Hilfe, dann absolvierte sie in der Schneiderei eine halbjährige Ausbildung. Eine ihrer Töchter machte auf der Schule der Ordensgemeinschaft ihr Abitur. "Mein Traum wäre es, eine eigene kleine Fabrik für Schlafanzüge zu errichten", sieht sich Alicia Gomez Quintero noch nicht am Ende ihrer Karriere. Vor allem zeigt sie sich aber dankbar, dass sich ihr Leben mit Hilfe der Ordensfrauen zum Guten wendete.
Engagement seit 40 Jahren
Die Schwestern zeigen Frauen wie Alicia in vielen Ländern Wege aus der Prostitution auf. In Kolumbien tun sie das seit genau 40 Jahren. Seit Anfang an dabei ist Schwester Ofelia Rivera. Sie sucht gemeinsam mit einem Helferteam betroffene Frauen im Rotlichtmilieu auf und bietet ihnen an, das Hilfsprogramm kennenzulernen. "Die Situation hat sich verschlechtert. Jetzt fangen immer mehr jüngere Frauen an", beobachtet sie. In den vergangenen Jahrzehnten sind immer mehr Bordelle in Bogotá aus dem Boden geschossen und die "Geschäfte auf der Straße" sind unüberschaubar. Entschieden wendet sich Ofelia dagegen, Prostitution als Arbeit anzuerkennen. Sie verweist auf eine Studie, nach der sich rund 80 Prozent von befragten betroffenen Frauen in Kolumbien aus sozialer Not prostituieren. "Das Einzige, was sie brauchen, ist eine richtige Arbeit, um so schnell wie möglich aussteigen zu können", erfährt Schwester Ofelia immer wieder.
Viele der Frauen sind vom Land in die Stadt geflüchtet, um dort bessere Lebensbedingungen zu suchen oder auch aufgrund des internen Krieges zwischen Guerilla, paramilitärischen Gruppen und dem Militär. Dort landen sie meistens in Holz- und Blechhütten der Armenviertel und stehen erst einmal vor dem Nichts. Viele Frauen treibt es so in die Prostitution.
Solcher Frauen nehmen sich im Hilfsprogramm zunächst eine Psychologin, eine Sozialarbeiterin, bei Bedarf auch eine Rechtsanwältin und ein Arzt, an. Kinder werden im Kindergarten und in der Schule der Einrichtung betreut. Die Frauen können zwischen verschiedenen Ausbildungen wählen: Neben der Schneiderei werden etwa auch Lehren im Friseur- und Bäckerhandwerk sowie im Gastronomiewesen angeboten. "In unserem Haus gehen täglich in Fabrik, Werkstätten, Kindergarten und Schule etwa 1.000 Menschen ein und aus", gibt Direktorin Schwester Rosaura Patiño einen Eindruck von der Größe des Programms, das vom Hilfswerk "Caritas international" und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gefördert wird.
Zumindest Mindestlohn gezahlt
Nicht ohne Stolz erwähnt die Schwester, dass die Schneiderei wirtschaftlich auf eigenen Beinen steht: "Wir stellen monatlich zwischen 5.000 und 6.000 Kleidungsstücke her." Ein Großteil wird nach England verkauft, doch die Frauen produzieren auch für einheimische Schulen, Krankenhäuser und Firmen. Dass alle Angestellten in der Fabrik zumindest den staatlich festgesetzten Mindestlohn mit Sozialleistungen erhalten, ist für die leitende Ordensschwester selbstverständlich. Höherqualifizierte vermitteln die Schwestern auch an andere Unternehmen. Wiederum andere machen sich selbstständig: Frauen, die im Gastronomiewesen ausgebildet wurden, gründen zum Beispiel eigene Restaurants. In der Schneiderei schätzen viele, dass sie immer wieder einmal Neues tun können. Die 44-jährige siebenfache Mutter Olga Lucia Camelo ist zum Beispiel jetzt zur letzten Station der Produktionskette gewechselt. Sie überprüft eine Jacke auf Falten und Nähte. Olga entdeckt noch einen kleinen losen Faden und beseitigt ihn: "Das hier ist die Endkontrolle der Kleidungsstücke. Von unseren Augen hängt ab, wie das hier rausgeht", freut sie sich über ihre neue verantwortungsvolle Aufgabe.
Spenden erbeten
Die Anzahl der begünstigten Frauen in dem Hilfsprogramm ist gestiegen: Im Jahr 2012 wurde 580 Frauen psychologisch und sozial sowie durch Ausbildung geholfen, 2013 waren es 615. Die Zahl der in Arbeit Vermittelten erhöhte sich von 209 auf 303. Spenden tragen dazu bei, das Programm zu sichern, weiter zu verbessern sowie noch mehr Frauen zu helfen. Die monatlichen Kosten für eine Sozialarbeiterin betragen rund 1.100 Euro. Eine gute Industrie- und Spezialnähemaschine kostet etwa 2.000 Euro. Der Caritasverband Eichstätt bittet unter dem Stichwort "Frauen in Kolumbien" um Unterstützung auf folgendes Caritaskonto in Eichstätt: LIGA Bank: Konto-Nr . 107 617 313, BLZ 750 903 00.
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