Ein Praktikum "mit Händen und Füßen" und mit viel Herz
"Es war sehr anstrengend und sehr interessant", antwortet Marta Adamczyk spontan auf Polnisch, als sie auf Deutsch gefragt wird, wie der erste Tag im Praktikum war. Am Ende dieses Praktikums nach zwei Wochen lacht sie über diesen Satz, weiß sie doch nun besser, was alles gelaufen ist und wie ein Arbeitsalltag in der Altenpflege in Deutschland aussieht.
Neben Barbara Wieczorek und Krzystof Kowasz ist sie eine von drei Praktikanten, die im Rahmen einer Kooperationsvereinbarung der Caritasverbände des Bistum Görlitz und dem Nachbarbistum Legnica in Polen, sowie der Erwachsenenbildungseinrichtung "AP-Edukacja Legnica" und weiteren Vertragspartnern antrat.
Die größte Hürde in diesem sechsmonatigen ESF-Projekt mit dem etwas sperrigen Titel "Grenzüberschreitende Entwicklung von Qualifikation im Altenpflegebereich" im ersten Halbjahr 2012 stellte am Ende die Formulierung eines Vertragswerkes dar, welches in beiden Ländern Gültigkeit besitzt. Ab- und Versicherungen für beide Seiten inklusive und die kleinen Feinheiten der Partnersprachen berücksichtigend.
Eine solche ist zum Beispiel schon die Berufsbezeichnung. Altenpfleger oder Krankenpflegehelferin im deutschen Wortsinn gibt es im Nachbarland Polen so nicht, es mussten Synonyme her, welche aber exakt denselben Inhalt benennen. Was für ein Glück für das Projekt, dass eine zweisprachige Dozentin von der Hochschule Zittau/Görlitz aus dem Bereich Gesundheitsmanagement diese knifflige Übersetzung übernommen hatte. Mit langjähriger Erfahrung in der Pflege auf der polnischen und deutschen Seite, einem Medizinstudium und einer riesigen Portion Enthusiasmus, war Zonja Szymanowski ein regelrechter Katalysator im Verlauf der Vorbereitung dieser Möglichkeit, Arbeitserfahrungen in Deutschland zu schaffen.
Herausforderung deutsche Sprache
Der Dreischritt: Vertrag - Unterschrift - Praktikanten hatte einige Pausen und Geduldsproben ab Ende 2013 gefordert und nun kamen endlich drei Auszubildende angereist, waren neugierig, etwas schüchtern und natürlich aufgeregt.
Die Aufregung legte sich spürbar zuerst, die Schüchternheit war ebenfalls alsbald verflogen. Nun galt es, die Herausforderungen der deutschen Sprache zu meistern. Am Anfang war die Sprachbrücke noch schmal und wackelig. Zum Glück gab es für zwei Praktikanten Muttersprachlerinnen in der Altenpflegeeinrichtung des DRK-Kreisverbandes Stadt und Land e.V., der ebenfalls Vertragspartner wurde. Sie hatten Glück, täglich mit einer "Landsmännin" ihren Dienst zu absolvieren und so sprachlich etwas "behüteter" im Alltag zu bestehen.
Für Barbara Wieczorek war das in ihrer Einrichtung zwar nicht der Fall, doch sie bewährte sich selbstsicher mit ihrem eigenen Sprachvermögen. "Fachwörter?" - nettes Lächeln und Schultern zucken: "Muss man lernen." … und wieder lächeln. "Es ist so vieles anders", antwortet sie auf ihre Erfahrungen aus den ersten zwei Tagen bei der Eröffnungsveranstaltung des neuen Jugendprojektes "Dia-LOGin" des Caritasverbandes, zu der die drei Gäste aus Polen spontan mit eingeladen wurden. Sie ist sichtlich beeindruckt und begeistert von dem Altenwohnheim "Hildegard Burjan". Die Menschen haben ein schönes Zuhause, Platz für sich und liebevolle Betreuer, außerdem wird viel angeboten im Tagesablauf. Sie zählt es auf und unterstreicht dies mit anerkennender Mimik.
Pflegeversicherung beeindruckt
Krzystof Kowasz als dritter im Bunde ist sehr erfreut, dass es so viele heitere Momente mit alten Menschen gibt. Er berichtet von witzigen Situationen im Pflegealltag mit den Heimbewohnern und es wird schnell klar, dass er auf Grund seiner offenen Art beliebt sein muss bei seinen "Babcias". Großmütterchen nennt er die Heimbewohnerinnen beim Erzählen in seiner Muttersprache, das klingt liebevoll und doch voller Respekt.
Besonders beeindruckt das System der Pflegeversicherung. Das wurde auch schon im Projektvorlauf zwischen den polnischen und deutschen Vertragspartnern deutlich. Ein derart ausgeklügeltes System gibt es auf der polnischen Seite für die alten und zu pflegenden Menschen nicht. Vieles wird noch im privaten Rahmen geleistet und getragen, das Sozialsystem funktioniert anders und ist auch mit anderem finanziellen Rahmen versehen.
Lebendige und vielsprachige Herberge
Die Arbeitstage verfliegen. Nach dem Dienst schnell in den polnischen Teil der Europastadt Görlitz-Zgorzelec. Dort ist das Einkaufen vertrauter und auch etwas preiswerter. Nach Dienstschluss auch ein bisschen den deutschen Teil der Stadt kennen lernen und die Mitbewohner im "Akademik", dem Wort für Wohnheim auf Polnisch.
Die Praktikanten fühlen sich sichtlich wohl, wohnen in dieser Zeit im Wohnheim der ehemaligen Berufsfachschule für Gesundheit und Pflege in der Blumenstraße, welches vom Caritasverband betrieben wird und genießen die Gemeinschaft mit weiteren Praktikanten, Auszubildenden und Ärzten aus Tschechien, der Slowakei, Deutschland und Polen. Sie alle sind Teil dieser lebendigen und vielsprachigen Herberge und wohnen ebenfalls für die Zeit ihrer Ausbildung oder Praktika hier. Gerade mal vier Minuten zu Fuß und schon sind die Drei in ihrem Heimatland. Das macht sich auch beim Handynetz bezahlt, frohlocken sie, da sie im "Akademik" einen Eins-A-Empfang aller polnischen Handy-Anbieter haben. Standortvorteil kann also auch so aussehen …
Am Ende des Praktikums werden Taschen und Tüten gepackt, die Zimmer geräumt. In einer reichlichen Woche kommen schon die nächsten Praktikumsnehmer dieses Kooperationsvertrages. Wenn auch "nur zu zweit", so aber diesmal für vier Wochen. Hut ab! Denn die Ausbildung, die sie absolvieren, läuft neben ihrem derzeitigen Erwerbsleben in ganz anderen Bereichen zusätzlich und für das Praktikum haben alle ihren Privaturlaub eingesetzt.
"Auf Wiedersehen zu einem nächsten Praktikum?" Ein erneutes Lächeln. "Zobaczimy" - "Wir werden sehen" - ist die klassisch-optimistische Antwort in derartigen Fällen in Polen.
INFO:
Jugendprojekt "Dia-LOGin"
Telefon: 0 35 81 40 10 36
E-Mail: dia-login.voigt@caritasgoerlitz.de