Religiöse Erziehung überholt?
Religiöse Erziehung halten viele heutzutage für überholt. In einer pluralistischen Gesellschaft, in der jeder nach seiner Fasson selig werden soll, kann und darf es, so ist oft zu hören, eine religiöse, zumal eine christliche Erziehung nicht geben. Diese bedeute Fremdbestimmung und verhindere die freie Entfaltung der Persönlichkeit, da sie Normen vorgibt. Zugleich wird jedoch geklagt, dass aggressive Verhaltensweisen bei Kindern und Jugendlichen immer mehr zunehmen. Insbesondere Mobbing, bei dem andere ausgelacht, beschimpft oder sogar geschlagen werden, scheint epidemische Ausmaße anzunehmen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Ein Grund, der zweifellos immer häufiger eine Rolle spielt, ist jedoch das Fehlen einer verinnerlichten Moral. Das bedeutet: Die Täter haben nicht die persönliche Überzeugung ausbilden können, dass es unannehmbar und verwerflich ist, einem Mitmenschen in dieser Weise Gewalt anzutun. Dementsprechend stellen sich auch keine Schuldgefühle ein. Viele haben keine innere Stimme, die ihnen sagt: „So geht man nicht mit seinen Mitmenschen um“.
In jedem „ein guter Kern“
An dieser Stelle wird der unüberholbare Wert einer christlichen Erziehung beispielhaft deutlich. Sie macht Mut, den Mitmenschen von Gott her zu sehen. Wenn ich einen Menschen mit den Augen des Glaubens betrachte, vermag ich zu erkennen – und zwar auch bei einem Mitmenschen, mit dem ich mich schwer tue – dass in ihm „ein guter Kern ist, dass in ihm ein Geheimnis ist, das ihn übersteigt, dass in ihm ein göttlicher Kern ist, dass Christus selbst in ihm ist“ (Pater Anselm Grün). Auf diesem Hintergrund wird verständlich, dass die erzieherische Vermittlung eines christlichen Bildes vom Menschen gerade heute von höchstem Wert ist: Wenn ein junger Mensch sich wirklich zu Herzen nimmt, wie der christliche Glaube jeden Menschen sieht – als von Gott geschaffen und geliebt, durch Jesus Christus erlöst und zum ewigen Leben berufen – tut er sich unendlich schwer damit, einen bestimmten Menschen zu quälen, indem er ihn auslacht, beschimpft oder schlägt.