Was macht eigentlich... ein Altenpfleger?
Man muss Herz und Liebe zu den Menschen haben, um zu pflegen", sagt Ange Likya-Libula, der kurz vor seinem Examen als Altenpfleger steht. 2011 begann er seine Ausbildung im Katholischen Altenheim St. Elisabeth in Gummersbach und hat seitdem eine Reihe von Einsatzorten durchlaufen, darunter die ambulante Pflege und die Gerontopsychiatrie des örtlichen Krankenhauses. Sein Wunscharbeitsplatz bleibt indessen das Altenheim: Denn eine langfristige Beziehung zu den Betagten aufzubauen, ja sich mit ihnen anzufreunden, das ist für den 48-Jährigen die schönste Seite seines Berufs. "Sie sind so nett", sagt er über die Bewohner des Altenheims. Ange Likya-Libula freut sich über ihre Dankbarkeit, die nicht täglich durchscheint, auch nicht bei jedem, aber doch oft genug.
Er schätzt die Hilfsbereitschaft und Solidarität im Team: Kollegen und Vorgesetzte unterstützen einander und tauschen sich aus - zum Beispiel darüber, wie man den einen grantigen Zeitgenossen, der den Pflegern schon mal Knüffe verpasst, am besten nimmt. Oder dass man die alte Friseurmeisterin nach der Mittagspause in Ruhe ihre Frisur richten lässt, damit sie nicht mit zerdrückten Haaren im Tagesraum erscheinen muss. Oder dass man der Seniorin, die unter der Brause Panikattacken bekommt, den Gang ins Bad und Duschgeräusche erspart, weil sie das an ihre Zeit im KZ erinnert.
Diese "Biografiearbeit" hilft, den Patienten als Ganzes zu sehen, seine Lebensleistung zu würdigen und bestimmte Schlüsselreize zu verstehen. "Einfach reinkommen und mit der Arbeit loslegen - das geht nicht", sagt Ange Likya-Libula. Er gibt sich und den Menschen Zeit, beobachtet, hört zu. Inzwischen kennt man sich. Ist der freundliche, ruhige Mann gelegentlich noch ein bisschen ruhiger als sonst, fragen ihn die Bewohner teilnahmsvoll, ob es Probleme gebe, er rede heute so wenig.
Vorurteile überwinden
Die Kehrseite: Geht es den Patienten schlecht, naht sogar ihr Ende, dann trifft das auch den Pflegenden. Ange Likya-Libula denkt oft an die Verstorbene, die er einst gewaschen und versorgt hat, sieht ihren alten Platz im Gruppenraum. "Es ist einfach schwer. Ich habe Probleme, den Tod zu sehen", gesteht er. Was er ebenfalls fürchtet: dass Patienten ihn ablehnen. So etwas passiert. Das "Oh je!" und "Jetzt geht’s aber los!" einzelner Bewohner, denen seine Hautfarbe zu dunkel war - oder die das Kopftuch einer türkischen Praktikantin als Zumutung betrachteten -, verstummte schnell, weil Heimleitung und Team klar und deutlich auf Akzeptanz setzen. Nach einigen Tagen fiel das Ungewohnte dann gar nicht mehr auf.
Auch Likya-Libulas Kollegin Veronika Poser wurde schon von Patienten zurückgewiesen, zum Beispiel, weil einer der zierlichen Frau nicht zutraute, ihn hochzuheben. Doch wie das fachgerecht geht, lernen Pfleger in der Ausbildung. Veronika Poser arbeitet seit 30 Jahren in der Altenpflege - ohne Rückenprobleme, wie sie sagt: "Schließlich gibt es Hebehilfen." Zu Ange Likya-Libula meint sie augenzwinkernd: "Die sollten auf Dauer auch die Starken nutzen."
Weniger einfach ist es, wenn Seniorinnen nicht von Männern gepflegt werden wollen. Als Ange Likya-Libula in der ambulanten Pflege tätig war, kam beides zusammen: Eine Patientin wollte keinen Mann als Pfleger, erst recht keinen schwarzen. Darum ließ sie ihn nicht ins Haus. Eine Caritas-Kollegin sprang ein, Ange Likya-Libula begleitete sie, soweit es ging - Woche für Woche etwas mehr, bis er schließlich doch die komplette Pflege übernahm.
Höchste Zeit, auf Vielfalt zu setzen
Das gesamte Team muss Konflikte wie diese professionell managen, meint Karla Wieland, die im Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln das Projekt "Die Zukunft der Pflege ist bunt" leitet. Die Ziele des mit EU- und Bundesmitteln geförderten Vorhabens: Zugewanderte beim Arbeitsmarkteinstieg unterstützen und die interkulturelle Kompetenz aller Pflege-Mitarbeiter durch Trainings und Organisationsberatungen der Einrichtungen stärken. Der Hintergrund: Der Pflegekräftebedarf lässt sich ohne internationale Arbeitskräfte nicht mehr decken.
Im Übrigen steigt auch der Anteil der Senioren mit Migrationshintergrund; derzeit liegt er bei gut acht Prozent. "Wir sind schon jetzt eine Vielfaltsgesellschaft", betont Karla Wieland. "Darum ist es höchste Zeit, unsichtbare Arbeitsmarktbarrieren - wie Vorurteile - zu überwinden und mal die Perspektive zu wechseln, um Menschen mit Migrationshintergrund empathisch zu begegnen und ihre Stärken zu sehen."
Sie wünscht sich mehr Unterstützung für Quereinsteiger. Zwar liegt die Ausbildungsvergütung für angehende Altenpfleger mit monatlich 1038 Euro im dritten Lehrjahr deutlich über dem, was Azubis in den beliebten Berufen Einzelhandelskauffrau oder Kfz-Mechatroniker bekommen. Doch für Menschen, die bereits im Beruf stehen oder aus der Familienphase zurück auf den Arbeitsmarkt wollen, ist das zu wenig.
Ange Likya-Libula sieht vor allem die Chancen seiner Ausbildung: Der studierte Bibliothekswissenschaftler, der insgesamt vier Sprachen spricht und 1997 aus der Demokratischen Republik Kongo floh, durfte in Deutschland fast zehn Jahre nicht arbeiten - so lange dauerte das Asylverfahren. Dann jobbte er als Ungelernter. Heute sagt er: "Ich arbeite lieber mit Menschen als mit Büchern." Und das hat Zukunft. Derzeit gibt es 2,5 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland - 2030 werden es 3,2 Millionen sein.