„Du wirst Banane Zuhause“
bastelnd, häkelnd, zeichnend, malend oder töpfernd. In sich versunken kopiert eine junge Frau mit dem Bleistift eine Blume aus einem vor ihr liegenden Buch. Sorgfältig zieht sie die letzten Striche an der Blüte ihrer Zeichnung. Einige Teilnehmerinnen diskutieren ihre „Lieblingsorte“, die sie fotografiert und digital bearbeitet haben, und deren Bedeutung sie in freien Texten beschrieben haben. Dabei legen sie Stoffe in Patchwork zu „Fühldecken“ zusammen, die Demenzkranken zugute kommen. So wie heute Morgen sieht an fünf Tagen pro Woche jeweils für vier Stunden der ganz normale Alltag des Projektes „IN VIA Galerie“ in Paderborn aus.
Bei „IN VIA Galerie“ setzen sich Alleinerziehende künstlerisch-kreativ mit ihrer Lebenssituation auseinander. Dies ist die eine Seite des Projektes. Die andere Seite zielt darauf ab, die Beschäftigungsfähigkeit der oft langzeitarbeitslosen Teilnehmerinnen zu fördern und sie behutsam an die Anforderungen des Arbeitslebens heranzuführen. So erarbeiten die Frauen kreative Produkte, die in Altenheimen oder Kitas zum Einsatz kommen können: Besondere Decken für Demenzkranke etwa, oder Spiele für Kita-Kinder. Das Jobcenter Kreis Paderborn weist die alleinerziehenden Frauen dem Kunstprojekt zu und fördert es als Arbeitsgelegenheit.
Die persönliche Lebenssituation ist bei keiner der zwölf Teilnehmerinnen einfach: Es fehlen die Unterstützung durch ihre Angehörigen und das Verständnis der ehemaligen Arbeitgeber. Beides hat die Frauen in die Situation gebracht, entweder keinen Job zu finden, der mit der Erziehung der Kinder vereinbar ist, oder ihren Job zu kündigen, um ganz für die Kinder da sein zu können. Bei IN VIA Galerie entdecken die Frauen, sich nicht von diesen Nackenschlägen unterkriegen zu lassen. Sie spüren, dass ihre Arbeit gebraucht wird, ob Fühldecken oder Fühl-Labyrinthe für Demenzkranke, Windlichter, gebatikte Tücher, Häkeleien und Zeichnungen. „Ihre Werke werden gerne von gemeinnützigen Einrichtungen wie Kindergärten, Altenheimen oder Ganztagsschulen angenommen“, sagt Stefanie Bösken, eine der Ansprechpartnerinnen für die IN VIA Galerie. Sie können zusätzlich für therapeutische Zwecke genutzt werden oder tragen einfach zu einer positiven Atmosphäre in einer Einrichtung bei. Trotz konkreter Aufträge dieser Institutionen bleibt die Gestaltungsfreiheit bei den Alleinerziehenden.
Nicht nur das Selbstbewusstsein, sondern auch das Miteinander wird durch das Projekt gestärkt. Die Unterhaltungen, die konkrete Unterstützung, der Austausch, die Abwechslung vom stressigen Alltag Zuhause: Dies alles ist Balsam für die Frauen. "Du wirst Banane zuhause, wenn keiner mit dir redet", drückt es eine Teilnehmerin aus.
Wenn sie sich etwas wünschen dürfen, ähneln sich die Antworten: bessere Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder, flexiblere Arbeitszeiten durch größere Rücksichtnahme der Arbeitgeber auf ihre Situation, und einheitliche Regelungen, wie mit alleinerziehenden berufstätigen Müttern umgegangen werden soll, wenn zum Beispiel das Kind krank ist oder aus der Schule abgeholt werden muss. Keine der Frauen möchte die Hände in den Schoß legen, im Gegenteil: Sie wünschen sich ein besseres Leben, möchten „sich etwas leisten können“ und nicht mehr vom Jobcenter abhängig sein. IN VIA Galerie kann hierzu ein erster Schritt sein.