Blühender Sertão – Früchte aus der Trockenzone Brasiliens
José Edmilson Ferreira dos Santos ist Wünschelrutengänger - in seinem zweiten Beruf. Im ersten Beruf ist er Bauer. Er lebt mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern im Sertão im Nordosten Brasiliens. Der Sertão ist sehr trocken. Das Gebiet ist größer als Deutschland und Frankreich zusammen. Hier regnet es selten - und selten genügend. Gut, wenn man da eine Zisterne oder einen eigenen Brunnen auf seinem Grundstück hat: "Manchmal erhalte ich drei Anrufe pro Woche: José, komm bitte vorbei, wir wollen wissen, ob wir einen Brunnen bohren können auf unserem Bauernhof." José hilft. Ohne Bezahlung. Aber mehr als einen Wünschelrutengang pro Woche schafft er nicht: "Danach bin ich sehr müde, es strengt den ganzen Körper und die Psyche an. Oft schlafe ich danach zehn Stunden am Stück." Entdeckt wurden seine besonderen Fähigkeiten vor zwei Jahren bei einem Workshop, der von Caritas international mitfinanziert wurde. Seither hat er einige Wasseradern aufgespürt.
Die meisten der Sertão-Bewohner sind Kleinbauern. Auch wenn wenig Niederschlag fällt, ist Landwirtschaft doch möglich. Wichtig dabei ist aber, das Wasser aufzufangen und zu speichern und dass für den Boden und das Klima geeignete Pflanzen angebaut werden. Pflanzen, die gut gedeihen und nicht allzu viel Wasser benötigen. Und dass man das wenige Regenwasser sammelt und gut nutzt. Möglich ist dies zum Beispiel in Zisternen. Damit kann man die kurzen Regenzeiten optimal nutzen und den Niederschlag für die Trockenzeiten auffangen. Die Zisternen dienen als Wasserspeicher.
Diese Zisternen sind eine neue Entwicklung im Kampf gegen die Dürre und Trockenheit: Nach anhaltend großem Druck der Kirchen und Nichtregierungsorganisationen stellte Präsidentin Dilma Rousseff im Juli 2011 ihr Regierungsprogramm "Wasser für alle" vor. Es soll die Versorgung von Menschen und Landwirtschaft garantieren. Mit integriert in das Programm ist das Projekt "Eine Million Zisternen". 650000 solcher kleiner Wasserspeicher existieren bereits und fassen genug Wasser für rund drei Millionen Menschen.
Zisternen erhalten das Leben
Gemeinsam mit der lokalen Partnerorganisation IRPAA ("regionales Institut für angepasste Kleinbauernlandwirtschaft und Tierhaltung") begleitet Caritas international den Bau der Zisternen. In Kursen lernen die Kleinbauern, Bodenwasser in der Regenzeit bestmöglich zu nutzen. So verhindern Unterflurstaudämme das schnelle Ablaufen von Regenwasser, oberirdische Staubecken dienen der Notbewässerung, und mittels Regenauffangfurchen und -becken können Felder und Obstgärten direkt bewässert werden. Zur Notversorgung in extremen Trockenjahren werden an geeigneten Stellen Tiefbrunnen gebohrt. Hier kommt die Begabung von José Ferreira zum Tragen: Durch seine Fähigkeit, Wasseradern aufzuspüren, legt er die Grundlage für den Brunnenbau.
Die Schulungen bieten den Bäuerinnen und Bauern zudem die Chance, herauszufinden, welche Anbaumethoden in der Region den größten wirtschaftlichen Erfolg versprechen und welche Voraussetzungen dafür notwendig sind.
"Unser Land ist wunderschön und ich möchte hier nie wegziehen. Aber noch vor wenigen Jahren war unser Leben sehr schwierig und meine Frau und ich haben uns überlegt, in die Stadt zu ziehen. Der Kampf um genügend Wasser zum Leben und zum Anbau der Früchte war anstrengend und zeitraubend. Aber seit wir durch die Unterstützung der Caritas und IRPAA in unserer Kooperative ausreichend viele Zisternen haben, können wir genügend Früchte anbauen. Passionsfrüchte zum Beispiel und die Frucht des Umbu-Baums. Daraus produzieren wir Saft und Marmelade, die wir sogar bis Europa verschicken." José Ferreira dos Santos zeigt stolz auf die veredelten Früchte des Umbu-Baums, die darauf warten, nach Italien exportiert zu werden.
Die in Kursen vermittelten Kenntnisse zum klimagerechten Anbau von Pflanzen und über klimagerechtes Verhalten geben auch den Frauen die Möglichkeit, sich wirtschaftlich zu verbessern. Sie werden ermutigt, auch in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mitzureden. Die Erfolge sind in der Kooperative, in der auch die Familie Ferreira dos Santos arbeitet, sichtbar: "Seit einigen Jahren erwirtschaften wir Gewinne", berichtet die Ehefrau von José, Eliani Ferreira dos Santos. "Die investieren wir, indem wir zum Beispiel im vergangenen Jahr einen neuen Gasherd angeschafft haben, um die Früchte besser und schneller verarbeiten zu können. In den Anfangsjahren haben wir noch mit Holzherden die Marmeladen eingekocht. Und mit dem Geld, das wir beim Export verdienen, können wir uns an der Finanzierung der Schulspeisung beteiligen. So bekommen unsere Kinder in der Schule eine Mahlzeit. Noch vor wenigen Jahren konnten wir uns das nicht leisten."
Denn lange Jahre galt der Sertão als das Armenhaus Brasiliens. Der globale Wohlstandsindikator der Uno, bei dem Lebenserwartung, Bildung und Lebensstandard gemessen werden, liegt für diese Gegend auf einem ähnlich schlechten Niveau wie in den Ländern Westafrikas.
Maria Oberhofer, die für die Caritas-Partnerorganisation IRPAA arbeitet und seit vielen Jahren im Sertão lebt, berichtet: "Lange war die Entwicklung des Nordostens Brasiliens kein Thema für die Regierung. In den 80er Jahren bestand die Strategie dann darin, dass die Region mit dem Bau von Stauseen und Straßen entwickelt werden sollte. Geholfen hat dies aber nur den Reichen. Die großen Stauseen und Wasserkanäle, die vom Rio São Francisco bedient werden, führen zu den großen Zuckerrohrplantagen, die in der Hand von einigen wenigen reichen Familien sind. Erst seit drei Jahren ist es nun den Kleinbauern entlang der Wasserkanäle erlaubt, Wasser aus dem Kanal zu entnehmen. Allerdings bezahlen sie das Zwanzigfache an Wasserpreis pro Liter im Vergleich zu den Großgrundbesitzern."
Gezielt bewässern statt vergeuden
Die Regierung plant auch, den Rio São Francisco umzuleiten. Der fast 3000 Kilometer lange Strom enthält 70 Prozent der Wasserressourcen der Region. Maria Oberhofer ist dagegen: "Das dient vor allem der Versorgung der industriellen Landwirtschaft und der Städte. Viel besser ist es, statt die Trockenheit im Großen zu bekämpfen, die Menschen im Kleinen in die Lage versetzen, mit ihr zu leben." José Ferreira dos Santos und seine Familie zeigen, wie im Dürregebiet ein gutes Leben gelingen kann.