Feiern werden mit Gott begonnen
Da lässt der Chef der Caritas-Sozialstation in Görlitz keine Luft ran: Feiern werden mit Gott begonnen. Erst kommt das Geistliche, dann das Leibliche – das ist inzwischen Tradition, daran soll sich auch nichts ändern.
„Es tut mir leid, Herr Krause, ich muss mich krankmelden, mich hat eine Wespe in die Hand gestochen“, sagt eine Mitarbeiterin der Caritas-Sozialstation in Görlitz zu Gabriel Krause, der die Station seit 1993 leitet. Der nimmt den Krankenschein entgegen, wünscht gute Besserung. Schon klingelt das Telefon zum wiederholten Mal. Von einer Mitarbeiterin nimmt der Chef eine Chipkarte entgegen, nickt ihr kurz zu, telefoniert währenddessen weiter. „Nein, eine Ausnahmesituation ist das heute nicht, so ist das vielfach bei uns“, sagt Gabriel Krause. „Mit ständigen Veränderungen leben wir hier. Entscheidend ist, dass unsere Kunden gut versorgt werden.“ Die Sorge hat ihm einige graue Haare beschert. Lächeln und die Freude an seiner Arbeit hat er aber nicht verloren. Die Freude am Feiern erst recht nicht.
„Gottes Segen ist wichtiger Bestandteil unserer Arbeit“
Dass nicht nur gearbeitet, sondern regelmäßig auch gefeiert wird, wissen die über 100 Mitarbeitenden. Höhepunkte im Jahr werden gebührend begangen. Dabei ist das Kirchenjahr entscheidend, die kirchlichen Feste. „Gottes Segen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit – wir brauchen Gottes Hilfe.“ Mit dieser Einstellung sind auch die ungetauften Mitarbeiter konfrontiert. Sie wissen, dass die Andacht zum Jahresbeginn mit Segnung der Räume vor dem Genuss von Stollen und Kaffee dran ist. Für die Vorbereitungen nimmt sich Gabriel Krause Zeit, das sind ihm Gott und der Glauben wert.
Ostern, Weihnachten, die Feste laufen alle nach einem festen Ritual ab: „Erst kommt das Geistliche, dann das Leibliche“, das hat Gabriel Krause festgelegt. Kirchen werden besucht, Pfarrer führen durch die Gotteshäuser, erklären Gegenstände und Hintergründe zum jeweiligen Fest. Am Beginn gibt es eine kurze Ansprache, „geistliches Wort darf man wohl nicht sagen, wenn ich rede“, resümiert Gabriel Krause, der Diakonatshelfer und ausgebildeter Altenpfleger ist. Er stellt fest: „Adventsfeiern werden von allen Festen im Jahr am besten besucht, etwa 80 Prozent der Mitarbeiter nehmen teil. Singen fällt dabei sehr schwer, weil viele das zu Hause wohl kaum noch praktizieren.“ Dann wird die Weihnachtsgeschichte mit verteilten Rollen gelesen. Das funktioniert gut.
„Wir wollen Wissen über den Glauben vermitteln“
Die Überlegungen gehen jedoch über die Feiern weit hinaus. „Wir wollen Wissen vermitteln über den Glauben, christliches Brauchtum, Rituale und Zeichen; erklären, wer Heilige sind“, sagt Gabriel Krause. Begonnen wurde dabei mit der Bistumspatronin, der heiligen Hedwig: „Sie hat Bedürftigen geholfen, sie hat sich selbst zurückgenommen, war Vorbild, dies hat auf ihre Mitmenschen ausgestrahlt“. Auch die neue Selige Hildegard Burjan, die aus Görlitz stammt und sich sozial engagierte und nach der zwei Caritashäuser in unmittelbarer Nachbarschaft der Sozialstation benannt sind, war schon Thema. Ob Kirchen oder die Synagoge – in Görlitz gibt es viele Orte, deren Besuch sich unter religiösem Blickwinkel lohnt. „Für einige Mitarbeiter sind es wohl die einzigen Veranstaltungen, in denen sie solche Räume von innen sehen“, vermutet Gabriel Krause.
Im Oktober 2012 rief Papst Benedikt XVI. das Jahr des Glaubens aus. Die Caritas-Verantwortlichen hatten die Idee, im Jahr des Glaubens über diesen christlichen Glauben gezielt zu informieren, denn der überwiegende Anteil ihrer Mitarbeitenden ist inzwischen nicht mehr getauft und gehört keiner Kirche mehr an. Damit die Mitarbeitenden nicht eigens zu solchen Informationsveranstaltungen kommen mussten, wurden diese an die wöchentlichen Dienstbesprechungen angehängt, „etwa jeweils eine halbe Stunde, von knapp der Hälfte der Mitarbeiter besucht. Die Leute kamen freiwillig. Es ist ihre Freizeit. Sie haben nicht nur die Zeit abgesessen, sondern aktiv mitgemacht“, berichtet Gabriel Krause.
„Einige dachten, ich komme, um zu missionieren“
Um die Inhalte der Fortbildungen kümmerte sich der Görlitzer Kaplan Markus Kurzweil. „Für eine solche Sache brauche ich einen Anlass - und der war durch das Jahr des Glaubens gegeben. Damit verbunden ist der Auftrag an uns getaufte Christen, Glauben sichtbar und spürbar zu machen und darüber nachzudenken, auch mit Ungetauften“, sagt der Kaplan. „Sie geben der Caritas ein Gesicht - Sie geben der Caritas ihr Gesicht“, machte er gleich am Anfang klar. Egal ob getauft oder ungetauft, die Pflegenden, die mit den weißen Autos mit den roten Aufdrucken „Caritas“ durch die Gegend fahren, werden mit katholischer Kirche identifiziert. „Wenn Sie in Wohnungen von Christen kommen, finden Sie Gegenstände vor wie Kreuze, Bibeln, Muttergottesfiguren, Heiligenbilder,... über die Sie in Grundzügen Bescheid wissen sollten“, fügte Kaplan Kurzweil an. „Einige dachten, ich komme, um zu missionieren. Klar, der missionarische Gedanke ist dabei, aber ich komme zunächst, um zu informieren“, stellt Kaplan Kurzweil die Richtung klar.
Renate Hinz ist eine der Teilnehmerinnen. Sie ist konfessionslos, arbeitet seit 18 Jahren für die Caritas. Mit deren Zielen, vor allem mit dem Gedanken der christlichen Nächstenliebe, identifiziert sie sich. Sowohl die besinnlichen Einstimmungen vor den Festessen, wie auch die Stunden mit Kaplan Kurzweil waren für sie „sehr aufschlussreich. Das kleine Köfferchen, das der Kaplan mitgebracht hat und was daraus für Taufen, was für Beerdigungen benutzt wird und warum, das war sehr interessant für mich.“
Nachdenken über die christlichen Wurzeln
„Auch wenn man einiges von dem, was man nicht täglich braucht, wieder vergisst, vieles ist hängen geblieben“, sagt Renate Hinz. „Gern würde ich mit meinen Patienten über das eine oder andere sprechen, aber: Es fehlt die Zeit für Gespräche.“ Das bedauert auch Ina Seidel. Die Art von Kaplan Kurzweil, Wissen zu vermitteln, „finde ich sehr erfrischend. Am Anfang sollten wir aufschreiben, was wir wissen wollen, welche Themen wir behandelt haben wollen“, sagt sie. Beate Reck, die 14 Jahre bei der Caritas-Sozialstation arbeitet, sagt: „Ich informiere die Leute, ich bin nicht in der Kirche, wenn die Patienten wissen wollen, wie es jetzt dort aussieht. Dadurch, dass ich nicht kirchlich bin, war alles neu für mich; ich habe viel gelernt, beispielsweise über kirchliche Feiertage.“ Weihnachten empfindet Beate Reck jedes Jahr als „etwas Besonderes“. Die Gestaltung der Feiern vor den großen Festen findet sie gut, trotzdem sagt sie: „Nachvollziehen kann ich das innerlich nicht. Das bringt mir zwar die katholische Kirche näher, aber das war es schon. Gut, wenn die Patienten sagen, dass sie nicht in der Kirche sind und ich antworten kann: ich auch nicht. Das ist für mich befreiend“, sagt Beate Reck.
„Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren sehr offen. Wir konnten gemeinsam nachdenken über Dinge, die christliche Wurzeln haben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer konnten liturgische Gefäße anfassen, Öle riechen“, sagt Kaplan Kurzweil. Gespräche befassten sich mit dem Leben, mit Sterben und Tod - und dem danach. „Ein Gespür dafür zu bekommen, wenn ein Leben zu Ende geht, bei Katholiken einen Priester zu rufen, das war auch ein wichtiges Anliegen von mir.“ Mit der Resonanz auf diese besonderen Fortbildungen sind Markus Kurzweil und Gabriel Krause zufrieden.
Quelle: „Tag des Herrn“ - Kath. Wochenzeitung
INFO:
Caritas-Sozialstation „St. Hedwig“
Carolusstraße 212, 02827 Görlitz
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E-Mail: sozialstation@caritas-goerlitz.de