Schwangeren und Kindern gerecht werden
Regine Hölscher-Mulzer ist Fachreferentin für Schwangerschaftsberatung beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF).
Seit 1. Mai ist die vertrauliche Geburt legal. Was hat sich geändert?
Frauen, die ihre Schwangerschaft geheim halten wollen oder müssen, haben die legale Möglichkeit einer medizinisch begleiteten Geburt, bei der sie in der Klinik anonym bleiben. Einzige Voraussetzung ist, dass sie sich in einer Schwangerschaftsberatungsstelle beraten lassen.
Was passiert da?
Dort wird die Frau über ihre Möglichkeiten sowie über Unterstützungsangebote beraten. Wenn sie sich für eine vertrauliche Geburt entscheidet, muss sie nur einmal gegenüber der Beraterin ihre Identität preisgeben, denn das Kind hat ein Recht auf die Kenntnis seiner Herkunft. Ihre persönlichen Angaben werden in einem Umschlag versiegelt und zentral beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben aufbewahrt. Die Schwangere bekommt ein Pseudonym und wird von der Beratungsstelle in der Klinik ihrer Wahl angemeldet.
Das Kind wird dann automatisch zur Adoption freigegeben?
Mit der Geburt ruht die mütterliche Sorge. Das Jugendamt bestellt einen Vormund und das Baby kommt in eine Pflegefamilie. Bis das Adoptionsverfahren abgeschlossen ist - in der Regel dauert das ein Jahr -, kann die Mutter noch beantragen, das Kind zu behalten. Dazu muss sie aber ihre Anonymität aufgeben.
Wie berücksichtigt das neue Gesetz auch die Interessen der Kinder?
Mit 16 Jahren hat das Kind ein Anrecht zu erfahren, woher es kommt. Wenn die leibliche Mutter aber triftige Gründe hat, sich noch immer nicht zu erkennen zu geben - weil zum Beispiel Gefahr für Leib und Leben besteht -, kann sie Einspruch erheben. Im Zweifel wird der Fall dann durch ein Familiengericht geklärt.
Braucht es dann jetzt noch anonyme Geburt und Babyklappen?
In Einzelfällen wird die anonyme Geburt sicher noch vorkommen. Im Gegensatz zur vertraulichen Geburt befinden sich alle Beteiligten aber in einer rechtlichen Grauzone, und die Kliniken können diese Behandlung nicht abrechnen. Ob über das neue Gesetz tatsächlich alle verzweifelten Schwangeren erreicht und sie von Aussetzungen oder Kindstötungen abgehalten werden können, kann man heute noch nicht sagen. In drei Jahren ist eine Auswertung vorgesehen.