Die Lebensfreude ist zurück
Was aber verbindet den 72-jährigen Lippetaler mit dem 21-jährigen Soester, der gerade sein drittes Ausbildungsjahr zum IT-Systemkaufmann absolviert? Die Antwort steht mitten auf dem Tisch. Ein Notebook. Für viele ein unverzichtbares Arbeitsgerät, für andere eine schöne Möglichkeit zum weltweiten Chatten - für den gelähmten Siegfried Friedhoff aber ein Gerät, das ihm wieder den Kontakt zur Außenwelt ermöglicht, ohne dass er sein Haus in Nordwald verlassen muss.
Der ehemalige selbstständige Kaufmann im Immobilienbereich erkrankte im November 2008 an der Peripheren Polyneuropathie, kurz PNP genannt. Bei dieser Nervenkrankheit wird die Weiterleitung des Reizes von oder zum Gehirn gestört. Gemeinsam mit Ehefrau Hanne entschloss sich der Mann, Hessen zu verlassen und in der Nähe von Dortmund, wo der Sohn mit den beiden Enkelkindern wohnt, neu anzufangen. Das Haus in Nordwald gefiel den Eheleuten auf den ersten Blick. Da hatten sie noch die Hoffnung, dass der Ehemann mithilfe des Rollators mobil bleiben könnte. Doch die Krankheit erforderte innerhalb von drei Jahren ihren grausamen Tribut - Siegfried Friedhoff ist heute vollständig gelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Nur seinen Kopf kann er noch bewegen.
Selbstbewusstsein und Tatendrang aber konnte die Krankheit ihm nicht rauben. Im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts wurde er aktiv und bat eine Mitarbeiterin des Sozialdiensts um Hilfe. "Ich brauche jemanden, der mir hilft, meinen Computer sprachgesteuert zu nutzen", so lautete sein Auftrag. Die Frau setzte sich mit Claudia Wetter beim Caritasverband im Kreis Soest, in Verbindung. "Das ist schon sehr speziell", schoss der Ehrenamtskoordinatorin als erstes durch den Kopf. "Ob wir da helfen können?" Doch drei Tage später geschah das Unvorhersehbare. Viktor Waal meldete sich bei der Caritas mit der Frage, ob er, der künftige IT-Systemkaufmann, nicht irgendjemandem helfen könne. "Ich wollte sozial tätig werden", erklärt er.
Schnell war der Kontakt hergestellt, das erste Treffen des 72-Jährigen mit dem jungen Soester fand im März 2011 statt. "Wir schwimmen auf derselben Welle", das erkannten Friedhoff und Waal unabhängig voneinander. Schnell war auch geklärt, welche Hilfe der Lippetaler benötigte, um wieder selbstständig Kontakt mit der Welt außerhalb des gemütlichen Heims aufnehmen zu können. Viktor Waal wusste, was zu tun war: Dreimal wöchentlich fuhr er hinaus ins Lippetal, assistierte zunächst bei der Nutzung des PCs und führte umfangreiche Recherchen durch, um Siegfried Friedhoff das richtige Notebook zu beschaffen. Installation, Konfiguration, die Einrichtung der Sprachsteuerung - all das erledigte er in seiner Freizeit. Und als dann auch der Umgang eingeübt war - da konnte Siegfried Friedhoff wieder seinem Hobby nachgehen. Auch wenn die Suche im weltweiten Netz zum Thema PNP bislang immer so endete: "Es gibt nichts Neues auf dem Markt."
Weiter sorgte der künftige IT-Fachmann dafür, dass Siegfried Friedhoff ein neues Mobiltelefon mit Bluetooth-Headset bekam - das eigenständige Telefonieren ist garantiert. Noch größer wird die Unabhängigkeit sei, wenn Friedhoff demnächst übers Internet seine Gesprächspartner selbstständig anwählen kann. Von der technischen Aufrüstung profitiert schon jetzt Ehefrau Hannah: "Morgens den PC anstellen, aufklappen, meinem Mann die Brille und das Headset aufsetzen - das ist alles."
Neben der technischen Beratung schätzt der Nordwalder sehr, dass mit Viktor Waal auch ein Gesprächspartner jetzt einmal wöchentlich ins Haus kommt, der mit ihm die Leidenschaft für Sportübertragungen teilt. Dieses ehrenamtliche Engagement wurde von der Caritas und der Berufsschule mit einer Urkunde gewürdigt. Claudia Wetter schreibt darin: "Herr Friedhoff hat inzwischen ein großes Stück Lebensfreude zurück gewonnen. Herr Waal führt sein Ehrenamt sehr zuverlässig, interessiert und respektvoll aus."