Rückkehr unmöglich
Cottbus, 28.11.2011, 19 Uhr. 35 Menschen füllten den Tagungsraum des Cottbuser Sankt-Johannes-Hauses. 35 Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund und verschiedensten Beweggründen. Sei es aus eigener Betroffenheit, sozialen, beruflichen oder politischen Gründen, sie alle kamen aus Interesse an einem Thema: die Regelung des Bleiberechts für Flüchtlinge und langjährig "Geduldete".
Experten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft trafen aufeinander, um diese aktuelle gesellschaftspolitische Debatte zu diskutieren. Mit der Informationsveranstaltung "Für eine neue Bleiberechtsregelung" wollte der Caritasverband der Diözese Görlitz e.V. auf die Situation von 87.000 in Deutschland lebenden Geduldeten sowie Asylbewerbern als auch zehntausenden Menschen mit Aufenthaltsgestattung hinweisen. Viele dieser Menschen leben in Armut, Isolation und mit der ständigen Angst, jederzeit abgeschoben zu werden. Eine Rückkehr ins Heimatland ist für viele der Flüchtlinge jedoch schlichtweg unmöglich.
"Das Ziel unserer Bleiberechtsveranstaltung ist ein Austausch, ein Dialog untereinander", so Michael Standera (Caritasverband). Sein Wunsch: "die Begegnung, das Gespräch, eine Sensibilisierung verschiedenster Akteure."
Ein Exkurs
Im Jahr 2006 lebten bereits über 100.000 rein rechtlich Geduldete seit mindestens sechs Jahren in Deutschland, die meisten von ihnen in Kettenduldung. Das politische und gesellschaftliche Interesse zu diesem Thema stieg, die Aufmerksamkeit wuchs. Eine Lösung musste her. Die politische Lösung für langjährig Geduldete hieß: Wer seinen Lebensunterhalt selbständig durch Erwerbstätigkeit sichern kann und bis zu einem bestimmten Einreisestichtag durchgängig sechs Jahre (Familien) beziehungsweise acht Jahre (einzelne Personen) in Deutschland lebte, wer hinzukommend noch straffrei und sozial integriert war, der durfte vorläufig bleiben und bekam eine befristete Aufenthaltsgenehmigung. Dass nicht alle diesen Anforderungen genügen, liegt auf der Hand. Durch jahrelange Erwerbslosigkeit können nur wenige den hohen ökonomischen Leistungsanforderungen gerecht werden. Kranken, Traumatisierten oder Alten bleibt somit jede Chance verwehrt.
Diese Bleiberechtsregelung läuft Ende 2011 aus. Was aus den Betroffenen wird, ist unklar.
Zurück zur Informationsveranstaltung
Auch der Vorsitzende Geschäftsführer der Agentur für Arbeit in Cottbus, Heinz-Wilhelm Müller, stellte sich der Debatte und dem problematischen Thema. Heinz-Wilhelm Müller referierte und diskutierte gekonnt, gewitzt und mit gewissem Charme die Fragen "Wie entwickelt sich der Brandenburger Arbeitsmarkt?" und "Brauchen wir in Zukunft Migranten?". Die Quintessenz seiner Ausführung: Der (Lausitzer) Arbeitsmarkt brauche Arbeits- und Fachkräfte. Den Arbeitgeber interessiere dabei theoretisch nicht die Herkunft seines Arbeitnehmers. In der Praxis jedoch sieht es noch immer anders aus, wie Diplom-Sozialarbeiter/-pädagoge (FH) Andreas Jahn von der Caritas in der anschließenden Diskussion berichtet. "Wir leisten permanente Überzeugungsarbeit sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Behörden. Beim Versuch, Flüchtlinge oder Geduldete in den Arbeitsmarkt zu integrieren, liegen uns ständig Stolpersteine im Weg. Wir gehen täglich nicht vorherzusehende Umwege." Die größten Probleme seien, laut Müller, nicht anerkannte akademische Ausbildungen und Berufsabschlüsse und nicht stattgefundene Berufsausbildungen. Hinzu kommen nicht ausreichende deutsche Sprachkenntnisse. Dass jedoch viele Asylbewerber nicht die Chance auf Sprach- und Integrationskurse bekommen, ist den meisten Arbeitgebern oder gar Politikern nicht bewusst.
Mehr in Migranten investieren
Aus Gründen wie diesem, war die Informationsveranstaltung dringend notwendig. Wie sich die auslaufende Bleiberechtsregelung in Zukunft gestaltet, ist an dieser Stelle nicht absehbar. Dennoch wurde ein wichtiger Akteur der Arbeitsagentur bereits auf die Problematik aufmerksam gemacht. Nur auf diesem Weg können sich zukünftig Strukturen und Gesetze ändern. Schade nur, dass viele eingeladene Politiker nicht erschienen. Genauso bedarf es noch immer einer verstärkten Sensibilisierung der Arbeitgeber der Region. Nur so kann schließlich der Appell von Silke Finner (Teilnehmende der Diskussion) Früchte tragen: "Arbeitgeber investiert mehr in Migranten und baut diese konsequent und nachhaltig auf!" Denn, wie Heinz-Wilhelm Müller feststellte, "Der Lausitzer Arbeitsmarkt braucht Arbeitskräfte, der Arbeitsmarkt braucht ALLE."
CHRISTIN SCHNEIDER
IHK-Projektgesellschaft mbH Frankfurt/Oder, Projektleiterin BleibNet PLUS