Wenn Ehrenamtliche mitbestimmen
„Wir ,Grünen Damen‘ sind das Bindeglied zwischen den Patienten im Krankenhaus und der Welt draußen“, umschreibt Christa Fölting dieses Ehrenamt an der Schnittstelle von Patienten, Angehörigen und Krankenhauspersonal. Sie ist seit über 30 Jahren Grüne Dame, leitet seit 20 Jahren die Gruppe am St. Marien-Hospital in Mülheim an der Ruhr; war bis vor zwei Jahren Bundesvorsitzende der BAG (Bundesarbeitsgemeinschaft) Katholische Krankenhaus-Hilfe und vertrat die Interessen der Freiwilligen im Bundesvorstand der Caritas-Konferenzen Deutschlands e.V., CKD.
Die insgesamt 48 Grünen Damen (davon fünf Herren), die täglich von 7.30 bis 13 Uhr im Hospital ihren Dienst erbringen, haben feste Aufgaben. Sie betreuen die Bibliothek oder den Eingangsbereich, helfen neuen Patienten, die richtige Station zu finden, transportieren Gepäck, zeigen nebenbei Kiosk oder Cafeteria. Bekannteste Aufgabe ist die Stationsbetreuung. „Wir fragen zuerst im Schwesternzimmer, ob etwas Besonderes ansteht“, erzählt die Leiterin, „wenn jemand eine schlechte Diagnose bekommen hat, ganz am Boden ist und Trost braucht. Es können auch ganz banale Dinge sein wie fehlende Seife oder eine leere Hörgerät-Batterie.“ Danach gehen die Ehrenamtlichen von Zimmer zu Zimmer und sprechen mit den Patienten oder begleiten sie zu Untersuchungen und Therapien.
Seelsorge und Schokolade
Gesprächsbedarf ist reichlich da, denn im hektischen Krankenhausbetrieb wissen es die Menschen zu schätzen, dass jemand Zeit hat und zuhört. Da macht eine Frau sich Sorgen um ihren Mann zu Hause wegen dessen beginnender Demenz. Jemand will vor der OP mit dem Seelsorger sprechen – oder nur ein paar Mandarinen. Die kann er gerne haben, sofern medizinisch erlaubt, was vorab geklärt wird. Patienten können „erfinderisch“ sein: Bei Alkoholikern ist Mundwasser beliebt, manche Diabetiker schieben Geschenkabsichten vor, um an Schokolade zu kommen.
Oft ist es ein Balanceakt, welche Wünsche man erfüllt und welche nicht. „Wenn der Aufwand zu groß wird und auf Kosten anderer Patienten geht, sollte man auch mal dezent Nein sagen“, meint Christa Fölting. „Und wir wollen nicht Familie ausbooten! Wo Angehörige tätig werden können und wollen, sollen sie das tun – zum Beispiel etwas Spezielles zur Besuchszeit mitbringen.“ Muss eine Grüne Dame allein entscheiden, wie sie auf Sonderwünsche reagiert? „Sie kann das tun, aber wir haben auch regelmäßige Gruppentreffen. Morgens beim Kaffee kann man solche Dinge besprechen.“ Natürlich hat die Leiterin aber jederzeit ein offenes Ohr für ihre Mitarbeiterinnen.
„Die Grenze ist auf jeden Fall da, wo Pflege oder Therapie anfangen, das ist absolut tabu.“ Ein Beispiel: „Jemand sagt: Können Sie mal mein Bett hochmachen? Da müssen wir vorher fragen, ob er erhöht liegen darf. Hat er eine Rückenmarkspritze bekommen, muss er flach liegen. Ältere Patienten vergessen so was schon mal.“ Personalmangel ist bekanntlich überall ein Problem. Da müssen sich Ehrenamtliche auch gegenüber Ärzten und Schwestern abgrenzen. „Patienten beim An- und Ausziehen zu helfen gehört nicht zu unseren Aufgaben – auch wenn es noch so viel Zeit erspart. Weil es oft so schwer ist, Nein zu sagen, müssen gerade wir Gruppenleiterinnen freundlich, aber bestimmt die Eigenständigkeit der Gruppe erhalten“, betont Christa Fölting. „Wir können nicht fehlendes Personal ersetzen!“ Es kommt darauf an, diese Grenze klar zu ziehen, denn sonst sind allen Wünschen Tür und Tor geöffnet und niemand weiß mehr, wofür die Grünen Damen eigentlich stehen.
Mitreden heißt Mitgestalten
Da die Grünen Damen besonders nah am Patienten sind, hören sie Beschwerden häufig zuerst – von kaltem Mittagessen über platte Rollstuhlreifen bis hin zu ungünstigen Gottesdienstzeiten – und geben diese an die zuständigen Personen weiter. Auch in Privatangelegenheiten haben sie oft den ersten Einblick; erfahren von Armut oder Einsamkeit, die zu Hause lauern und eventuell die Nachsorge gefährden. „Dann wenden wir uns an den behandelnden Arzt, die Stationsschwester oder den Sozialdienst“, erklärt Christa Fölting. „Wenn teure Anschaffungen anstehen wie ein Wannenlift, wird das schon hier im Haus veranlasst. Der Sozialdienst organisiert auch Anschlussheilbehandlungen, warmen Mittagstisch oder Haushaltshilfen. Ist eine Pflege-Einstufung nötig, empfehlen wir Angehörigen, dies schon hier zu beantragen, sonst können viele Wochen verstreichen, in denen die Kostenübernahme ungeklärt ist.“
Satt und sauber reicht nicht: „Der Mensch hat ja noch andere Bedürfnisse. Wenn ich herausfinde, dass jemand nach der Entlassung ganz allein ist, versuche ich, mit der Gemeinde Kontakt aufzunehmen, erkundige mich, was es für Angebote gibt. Dann sage ich: Wollen Sie da nicht mal hingehen? Sie verpflichten sich ja zu nichts! Ich kann ihn ja nicht an die Hand nehmen, aber manchmal denke ich, ich müsste eigentlich dabeibleiben. Aber unser Dienst fängt eben an der Krankenhaustür an und endet in der Regel auch dort."
Damit sich sowohl Patienten als auch Ehrenamtliche auf gute Arbeitsbedingungen verlassen können, ist eine Organisationsstruktur wichtig, die niemanden alleine lässt. Dafür setzt sich Christa Fölting in verschiedenen Ebenen ein. In der BAG, den CKD und den Diözesan-Caritasverbänden geht es um Themen wie die Entwicklung von Arbeitshilfen, um Seminare für neue Gruppenleiterinnen, die Orientierung geben bei der Gruppen-Organisation, um Pressearbeit oder um Qualität im Ehrenamt: Wie erkenne ich, ob jemand geeignet ist? Man achtet auf einheitliche Richtlinien, eine gemeinsame Basis. „Da, wo Krankenhaushilfe draufsteht, soll auch Krankenhaushilfe drin sein!“
Unabhängig im Konfliktfall
Und noch etwas ist Mitbestimmung – im weiteren, gesellschaftlichen Sinne: „Stellen Sie sich vor, eine Schwester beobachtet, wie ein Arzt einen alten Verband nicht hygienisch entsorgt, sondern in den offenen Papierkorb wirft. Sie würde sich wohl schwertun, das zu melden, weil sie um ihren Job fürchtet. Ich dagegen bin unabhängig und kann darauf reagieren!“ Allerdings ist ihr in ihrem Umfeld noch nichts Skandalöses bekanntgeworden.
Sind die Grünen Damen also ein Ehrenamt mit viel Mitsprachemöglichkeit? „Wenn eine Gruppe in einem Haus gut etabliert ist und die Grenzen zwischen Haupt- und Ehrenamt klar ziehen kann, ja. Ich darf mich als Leiterin einer Gruppe nicht neben dem Chefarzt oder der Krankenhausleitung sehen. Aber ich habe Verbindungen zu allen möglichen Bereichen, und wenn ich mich da immer geschickt bewege, Grenzen respektiere, dann kann ich eine ganze Menge erreichen.“
Ansprechpartnerin:
Christa Fölting
Katholische Krankenhaus-Hilfe, „Grüne Damen“
Mülheim a.d. Ruhr
Tel.: 0208/57152
Organisationsstruktur:
Die Grünen Damen sind ehrenamtlich unabhängig aktiv, vertreten ihr Angebot selbstständig an Kliniken. Angegliedert sind sie an die BAG Katholische Krankenhaus-Hilfe und die CKD (Caritas-Konferenzen Deutschlands) – das bundesweite Netzwerk der Ehrenamtlichen.