Altersarmut wächst vor allem auf dem Land
Altersarmut wächst im Münsterland vor allem in den ländlichen Regionen. Um mehr als das Doppelte gegenüber dem Landesdurchschnitt von fünf Prozent stiegen die Zahlen der Empfänger von Grundsicherung im vergangenen Jahr in den Kreisen Borken und Steinfurt. Coesfeld und Warendorf liegen auf Landesniveau, Münster deutlich darunter. Hohe Arbeitslosigkeit in den 80iger Jahren und die Zunahme von niedrigen Löhnen und unsicheren Arbeitsverhältnissen sieht Dr. Ulrich Thien, Referats-leiter Soziale Arbeit im Diözesancaritasverband Münster, als Gründe. Grundsicherung erhalten alle über 65jährigen, deren Rente zum Leben nicht reicht sowie alle Erwachsenen unter 65 Jahren, die erwerbsunfähig sind. Die Leistungen liegen auf dem Niveau des Arbeitslosengeldes II.
Über 200.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile auf Grundsicherung angewiesen. Thien rechnet mit einer weiteren Zunahme. Selbst wenn ein Arbeitnehmer 43 Jahre in die Rente eingezahlt habe, sei er bei einem Stundenlohn von zuletzt sechs Euro auf die Sozialleistung angewiesen. Immer mehr Menschen müssten zu Niedriglöhnen arbeiten, "haben durch befristete Beschäftigungen Lücken in den Rentenzahlungen oder finden jenseits von 50 Jahren keine neue Arbeit mehr," erklärt der Caritasmitarbeiter.
Diese Gründe träfen nicht zuletzt auf die Kreise Borken und Steinfurt zu. Bisher lag deren Quote auf vergleichsweise niedrigem Niveau, jetzt holten sie mächtig auf. Während in Münster die Zahl nur um drei Prozent wuchs, stieg sie im Kreis Steinfurt um 10,2 und im Kreis Borken um 12,4 Prozent.
In den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sank die Altersarmut stetig, seit 2005 steigt sie wieder deutlich an, so Thien. Parallel sei die Zahl der "Normalarbeitsverhältnisse von 1997 bis 2007 um 1,5 Millionen gesunken, aber die Quote der Menschen in Minijobs, Leiharbeit und Teilzeitbeschäftigungen auf ein Viertel gewachsen. Zwar gehe es vielen Rentnern heute vergleichsweise gut, aber der Durchschnitt von 706 Euro Rente bundesweit deute schon auf eine große Gruppe von alten Menschen hin, die auf Hilfe angewiesen seien, erklärt Thien: "Im Regierungsbezirk Münster liegt die Durchschnittsrente mit 661 Euro noch darunter."
Wenig sagen die statistischen Zahlen über das Einzelschicksal der Betroffenen aus: "Viele erzählen erst im dritten Beratungsgespräch davon oder verschweigen ihre prekäre Lage immer noch," sagt Thien. Zunehmend kämen alte Menschen auch in die Tafelläden und Kleiderkammern der Caritas, was Ihnen sehr schwer falle und mit einem hohen Maß an Schamgefühlen behaftet sei. Viele von ihnen gingen trotz des eindringlichen Rates der Caritas-Mitarbeiter vor Ort nicht zum "Amt" und beantragten die ihnen zustehende Hilfe. "Von daher ist noch mit einer einer nicht geringen Dunkelziffer zu rechnen," sagt Thien.