„Wie bei meiner Mutter in Afrika“
In einen Blumenkübel auf den Treppenstufen zum Eingang ihres Einfamilienhauses in einer kleinen Seitenstraße von Gundelfingen hat sie ein Schild mit der Aufschrift "Willkommen" gesteckt. Und das meint sie ernst, wie Amadou Ceesay bestätigt. Seit März hat der 25-jährige Flüchtling aus Gambia ein Zimmer im Obergeschoss des Hauses bezogen - in einer Dreier-WG zusammen mit einem Landsmann und einem deutschen Mieter. "Ich fühle mich hier zuhause wie in Afrika bei meiner Mutter", sagt der frühere Wirtschaftsstudent in einer Mischung aus Englisch und Deutsch und strahlt seine Vermieterin an.
Evi Tondré streicht ihm gerührt über die Schulter, bietet ihm einen Kaffee an und schiebt ein großes Blech mit Pommes in den Backofen. Die Einladung zum Abendessen nimmt Amadou gerne an. Das klappt nicht immer: Wenn es Schweinefleisch gibt, muss der gläubige Moslem passen. Aber es ist ja keine einseitige Geschichte: Manchmal haben die jungen Leute oben so viel gekocht, dass es für alle reicht - auch für Evi Tondrés 22-jährigen Sohn, der sich unterm Dach eingenistet hat.
Eines Tages, nachdem im Mehrfamilienhaus gegenüber von der Gemeinde neue Flüchtlinge einquartiert worden waren, ist die 63-jährige Lehrerin an einer Förderschule, die für die Grünen im Gemeinderat sitzt, einfach mal rübergegangen und hat sich in gut nachbarschaftlicher Manier vorgestellt. Als aktives Mitglied im Flüchtlingshelferkreis hat sie gleich mit angepackt: Zusammen mit Amadou und Lamin hat sie die "total verdreckte" Küche auf Vordermann gebracht. So haben sie sich kennen gelernt. Weil bald darauf zwei Zimmer in ihrem Haus frei wurden, hatte sie die idealen neuen Mieter gefunden, die - wie es in immer größerer Zahl vorkommt - zur "Anschlussunterbringung" (der bürokratische Begriff kommt Evi Tondré ganz locker über die Lippen) der Gemeinde Gundelfingen zugewiesen worden waren. Da hatten sie schon angefangen, Deutsch zu lernen im Sprachkurs des Helferkreises. "Sie lernen viel schneller als andere, weil sie in einer Umgebung leben, in der Deutsch gesprochen wird", stellt ihre Vermieterin fest. Amadou und Lamin müssen durch keine "Maßnahmen" integriert werden. Sie wachsen einfach in ihr neues Lebensumfeld hinein: Amadou hat Arbeit gefunden bei einer Reinigungsfirma, putzt im Kindergarten und in einer Bäckerei. "Viele lächelnde Gesichter" begegnen ihm, wie er erzählt. Mit den Nachbarskindern spielen sie Fußball, über ihre Mitbewohner lernen sie andere junge Leute kennen, gehen mit ins Fitnessstudio, werden zu Partys eingeladen. "So müsste es für viel mehr von den Flüchtlingen sein", findet Evi Tondré. Die Gemeinde kommt für einen Teil der Miete auf, einen Teil muss Amadou von seinem Einkommen beisteuern.
Die couragiert auftretende Hausherrin findet das Zusammenleben mit den jungen Leuten "lustig: Wir haben viel Spaß". Hilfe hat sie auch. Die Jobs im Haus sind verteilt: Mülleimer rausstellen, Rasen mähen (Lamins Spezialität), Schnittgut wegbringen. Vorher seien die Zimmer an einheimische junge Leute vermietet gewesen. "Alle im Haus hatten mit ihnen große Probleme". Bevor sie an Amadou und Lamin vermietete, hat Eva Tondré ihren Sohn und den dritten WG-Bewohner gefragt. Alle waren einverstanden. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, wie alle in dem großen Wohnraum im Erdgeschoss mit der angrenzenden offenen Küche und dem gemütlichen Kachelofen zusammentreffen, der "Raum für alle" bietet. Auch für Evi Tondrés Mutter, die bis zu ihrem Tod mit im Haus lebte. "Sozialraum" habe sie ihn genannt.