Liebe Leserinnen und Leser,
Wie können wir die vielen Tausend Kinder, Frauen und Männer, die nach schlimmen Wochen der Flucht vor Krieg, Gewalt und Not in Deutschland Schutz suchen, gut auf- und annehmen? Können wir das schaffen? Genügend Unterkünfte für sie bereitstellen? Sie mit unserer Sprache, unserer Kultur, unseren Sitten und Gebräuchen vertraut machen? Ihnen auf Dauer Lebensmöglichkeiten bei uns eröffnen? Sie in unsere Gesellschaft integrieren?
Solche Fragen zu stellen, ist nicht verantwortungslos oder gar verwerflich. Denn aus ihnen spricht nicht generelle Ablehnung oder Verweigerung, sondern die durchaus berechtigte Sorge, ob nicht allein durch das schiere Ausmaß der Menschenmassen, die jetzt in unsere Lebenswelt drängen, unsere Kräfte und Ressourcen überfordert werden könnten. Solche Unsicherheiten und Ängste, die Mitbürger angesichts der momentanen Unübersichtlichkeit und einer gewissen politischen Hilflosigkeit äußern, sollten wir nicht pauschal verunglimpfen, sondern ernst nehmen. Ich meine, es braucht den nüchternen Blick auf das Machbare, um überlegt und effizient zu handeln. Gut gemeinter Aktionismus allein ist auf Dauer nicht hilfreich, um eine schwierige Situation zu bewältigen.
Den Flüchtlingen zu helfen, ist allerdings nicht bloß eine Frage des Könnens, sondern zunächst und vor allem eine Frage des Wollens. Nach wie vor erlebe ich hier landauf, landab eine große, beeindruckende Hilfsbereitschaft in weiten Teilen unserer Bevölkerung, ohne die letztlich jede professionelle Hilfsorganisation in dieser Lage aufgeschmissen wäre. Deshalb: Begegnen wir diesen ungezählten Helferinnen und Helfern voller Respekt, unterstützen wir sie, aber seien wir auch aufmerksam, wo Grenzen der Belastbarkeit sich abzeichnen, damit aus dem Helfen-Können nicht ein Nicht-mehr-helfen-Wollen wird.