"Können Sie bitte rüberkommen?"
„Ich habe leider schlechte Nachrichten für Sie.“ Die Diagnose kann vielfältig sein: Ein gravierender Herzfehler, körperliche Fehlbildungen oder Chromosomenstörungen wie z.B. das Down-Syndrom. „Viele Eltern sind völlig geschockt und wissen nicht mehr, wie es weitergehen soll“, erzählt Brigitte Reckermann. Sie ist sofort zur Stelle, wenn Eltern im Mathias-Spital in Rheine eine solch schwerwiegende Diagnose erhalten.
Die sofortige Beratung durch die Sozialpädagogin und Schwangerschaftsberaterin des Caritasverbandes Rheine ist vor allem durch die unmittelbare Nähe zum Zentrum für Pränataldiagnostik möglich. Gemeinsam mit dessen Leiter Prof. Dr. Matthias Meyer-Wittkopf kümmert sie sich um Eltern, deren Kinder an schweren Krankheiten oder Behinderungen leiden oder sogar tot zur Welt kommen werden. Für Brigitte Reckermann beginnt die Arbeit meist mit einem Anruf aus dem Untersuchungszimmer von Meyer-Wittkopf: „Können Sie bitte rüberkommen?“
„Zu diesem Zeitpunkt weiß ich nicht immer genau, um welche Diagnose es geht“, erklärt Reckermann. Dafür ist zunächst auch keine Zeit: Nach dem ersten Schock kommt die Trauer. Vor allem wenn klar ist, dass das Kind nicht oder nur kurz leben wird. „Wenn die Eltern hier im Beratungszimmer ein wenig zur Ruhe kommen, gibt es erst einmal viele Tränen“, berichtet Reckermann. Erst danach finden sie die Kraft, gemeinsam mit ihr den Befund des Arztes durchzugehen.
Medizinische Fragen kann Brigitte Reckermann nicht beantworten. „Ich kann aber deutlich machen, welche Möglichkeiten die Eltern in ihrer Situation haben.“ Die sind deutlich vielfältiger als der oft zu hörende Satz: „So etwas ist doch heutzutage nicht mehr nötig.“
Brigitte Reckermann hält dagegen: „Sie sollten eine Entscheidung treffen können, mit der sie auch noch in zehn Jahren leben können.“ Das funktioniere nicht mit Druck von außen. Man müsse den Eltern helfen, „im Dschungel der Möglichkeiten“ der deutschen Gesetzeslage den für sie passenden Weg zu finden. Natürlich sei sie als Beraterin in einer katholischen Beratungsstelle besonders am Lebensschutz für das ungeborene Kind interessiert. Doch Reckermann stellt klar: „Dieser Schutz geht nur mit der Mutter. Wir zeigen Wege auf, lassen die Entscheidung jedoch offen.“
Einer der Wege: Selbst wenn das Kind nicht lebensfähig ist, haben Eltern die Möglichkeit und das Recht, ihr Kind weiter auszutragen. „Solange Mutter und Kind dies wollen und können“, sagt Brigitte Reckermann. In der Rückschau - das weiß die Beraterin aus vielen Gesprächen - waren die im Zusammenhang mit der Beratung gefällten Entscheidungen die richtigen für die Familie.
Dabei gehe es auch darum, eine angemessene Form der Verabschiedung zu finden. „Die Eltern haben ein Recht auf einen Abschied und brauchen ihn“, sagt Reckermann. Das fängt bei ganz einfachen Dingen an: „Jedes Kind soll einen Namen bekommen“, nennt die Beraterin ein wichtiges Beispiel.
Die Rechtslage macht es zudem möglich, jedes Kind zu bestatten. „Dabei spielt es keine Rolle, wie weit das Kind in seiner Entwicklung fortgeschritten ist“, erklärt Reckermann. Darüber hinaus können Eltern sich für weitere sehr individuelle Formen des Abschieds entscheiden. Immer steht der Elternwille im Mittelpunkt. Entscheiden sie sich für ein Leben mit einem Kind, das krank oder behindert sein wird, erhalten sie Hilfe und Unterstützung bei allen anstehenden Fragen und Sorgen.
Infos: www.caritas-rheine.de/hilfeundberatung/kinderjugendlicheundfamilien/kinderjugendundfamilienberatung/schwangerschaftsberatung/schwangerschaftsberatung