Gegen überbordende Bürokratie
Dazu bietet der Verband Schulungen an für Einrichtungs- und Pflegedienstleiter sowie für die Mitarbeiter. „Die Dokumentation verbraucht so viel Zeit, die doch eigentlich für die Pflege von Patienten zur Verfügung stehen muss“, sagt Ulrike Hackenholt vom Diözesan-Caritasverband.
Umgesetzt wird damit ein Modell, das die ehemalige Ombudsfrau zur Entbürokratisierung in der Pflege, Elisabeth Beikirch, im Auftrag des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Staatssekretär Karl-Josef Laumann, erarbeitet hat. „Die pflegebedürftige Person nimmt im Strukturmodell - soweit es ihr möglich ist - bewusst eine aktive Rolle wahr“, erklärt Ulrike Hackenholt. „Diese Konzentration auf den Bewohner war zuletzt vor dem Hintergrund einer überbordenden Bürokratie verloren gegangen“, kritisiert sie.
Als erste Einrichtung im Erzbistum Paderborn hat das Altenheim St. Josef des Caritasverbandes Hamm dies umgesetzt. Nach mehrmonatiger Vorbereitung führte es schon im Januar die Pflegedokumentation nach dem Beikirch-Modell ein. „Das ist unser Schritt in die Pflegewende“, sagt Elisabeth Mischke, Leiterin von St. Josef. „Schon jetzt haben wir mehr Zeit für das Wesentliche – nämlich für die Bewohner.“
Jede Handlung und Hilfestellung, die eine Pflegefachkraft täglich leistet, vom Haar bürsten über das Ankleiden bis hin zu Einzelheiten zum täglichen Befinden des Bewohners mussten bisher ausführlich erfasst und in die EDV übertragen werden. „Das waren circa 3500 Maus-Klicks täglich“, erläutert Elisabeth Mischke. „Ich habe mich wie ein gläserner Mensch gefühlt“, sagt Marianne Pieruschka. Als die 82-Jährige ins Altenheim St. Josef einzog, empfand sie die täglichen Abfragen für die Pflegedokumentation als „sehr befremdlich“. „Was die alles wissen wollten“, schüttelt sie rückblickend den Kopf.
Mit dem Beikirch-Modell werden wiederkehrende Aufgaben nur noch einmal erfasst und bei Veränderungen entsprechend aktualisiert. „Die neue Dokumentation ist trotz der vereinfachten Form wesentlich effizienter“, erklärt Pflegedienstleiterin Stephanie Disselbrede. Das persönliche Wohl der Bewohner rücke wieder mehr in den Mittelpunkt. „Wir haben spürbar mehr Zeit für die echte Arbeit am und mit den Menschen“, sagt Pflegefachkraft Martin Witteczek. Die Umstellung auf das Beikirch-Modell erfordere allerdings auch ein Umdenken bei den Pflegekräften, weiß Wohnbereichsleiterin Katharina Hüls. „Früher mussten wir routinemäßig bestimmte Verfahren bearbeiten, auch wenn keine Notwendigkeit bestand.“
Die neue Dokumentation trifft bei Marianne Pieruschka wie auch bei vielen anderen Senioren auf große Zustimmung: „Der Kontakt und die Gespräche mit den Mitarbeitern sind für uns Bewohner viel wichtiger als der ganze Schreibkram. Wir wollen hier so versorgt werden, wie wir das möchten, und nicht wie fremde Menschen das für uns vorgeben.“
Ziel der Einführung einer schlanken und bürokratiearmen Pflegedokumentation auf anerkanntem fachlichem Niveau sei eindeutig die Verbesserung der Versorgung und Transparenz im Sinn der Pflegebedürftigen, betont Ulrike Hackenholt vom Diözesan-Caritasverband Paderborn. „Abzuwarten bleibt allerdings, ob die Aufsichtsinstanzen – der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) und die Heimaufsichten – diesen Weg konsequent begleiten und dem Aufbau einer geänderten Dokumentation offen gegenüber stehen.“