„Nicht so hektisch wie die Enkel“
Wo finde ich denn die Einstellungen auf meinem Handy? Der ältere Mann klickt auf einem Smartphone herum. "Schauen Sie einmal, hier ist das Zeichen für die Einstellungen." Geduldig erklärt ihm die junge Frau im Gießener "Smartphone-Café", wo er klicken muss. Auf ihrem Namensschild steht "Ranim", sie ist 22 und kommt aus Syrien. Im Südstadttreff des Gießener Caritashauses Maria Frieden kommt Barbara Högy mit ihren Erklärungen kaum gegen die Diskussionen an den Tischen an. Dabei wollte die ehrenamtliche Leiterin des Smartphone-Cafés zuerst gerne allgemein zeigen, wie sich auf den Geräten die Uhrzeit ein- und umstellen lässt. Neun ältere Frauen und Männer sind diesmal ins Caritashaus gekommen, die gerne mit dem Smartphone umgehen, aber etliche Fragen dazu haben. Viele weitere haben Interesse, ohne Anmeldung geht es nicht und die Warteliste ist lang, erzählt die Initiatorin Gundula Breyer-Keil vom Caritasverband Gießen. Zusammen mit den fünf jungen Leuten sitzen die Senioren an den Tischen - alle über die Smartphones gebeugt. Im August 2017 hatte Gundula Breyer-Keil zum ersten Smartphone-Café des "Südstadttreffs" in Maria Frieden eingeladen. Dass das Interesse der Senioren so groß sein würde, hatte sie nicht erwartet. So suchte sie bald verzweifelt nach mehr Helfern, denn das Entscheidende ist, dass jedem einzeln auf seinem Gerät gezeigt wird, was wie funktioniert. Schließlich - so merken alle ganz schnell - sind die Geräte sehr verschieden. Barbara Högy, die sich auch in der Flüchtlingsarbeit engagiert, hatte die Idee, junge Flüchtlinge als Helfer zu engagieren. Wer die strahlenden alten wie jungen Gesichter in Maria Frieden sieht und ihr Lachen hört, merkt schnell: Hier profitieren alle voneinander. "Diese jungen Leute sind wirklich fit auf dem Smartphone, aber sie sind auch geduldig und einfühlsam, wenn sie uns etwas vermitteln. Sie sind nicht so schnell und hektisch wie mein Enkel. Sie haben mehr Respekt vor älteren Leuten", sagt Wilfried Boßhammer. Der 78-Jährige kommt regelmäßig mit seiner Frau hierher und ist dankbar für die Unterstützung der jungen Flüchtlinge. Diesmal hilft ihm der 20-jährige Syrer Adnan Bozan beim Einstellen der Uhrzeit. Auch der strahlt: "Es macht mir Spaß, wenn die Leute etwas Neues von mir lernen und dann mit einem Lächeln nach Hause gehen", sagt er in fließendem Deutsch. Für ihn sei es schön, hier "nette Leute" kennenzulernen. So ist er von Anfang an dabei. Er werde bald eine Ausbildung zum "Orthopädietechnik-Mechaniker" machen, erzählt er. Auch diesen Zungenbrecher bringt er locker über die Lippen, obwohl er erst seit zwei Jahren in Deutschland ist. Wie Bozan kommen viele junge Syrer gerne nach Maria Frieden, denn auch sie profitieren sehr vom Smartphone-Café. Sie knüpfen neue Kontakte und alle wollen ihr Deutsch verbessern, denn das freie Reden trainiert sie mehr und anders als die Deutschkurse, die sie besuchen. "Mir haben vor allem ältere Leute sehr geduldig Deutsch beigebracht. Da möchte ich auch gerne Hilfe weitergeben", beschreibt der 30-jährige Malek seine Motivation. Nach 90 Minuten ist das Smartphone-Café zu Ende. "Wie finden wir jetzt unser Auto? Wir parken am Altenheim St. Anna", fragt sich ein älteres Paar. "Kein Problem!", sagt Adlan Bozan. Schnell zeigt er ihnen, wie sie mit Google-Maps den kürzesten Fußweg zu ihrem Fahrzeug finden. Und Jutta Siejkowski und Mohammed Allhage Barkoth tauschen ihre Handynummern aus. Die Seniorin möchte den jungen Mann privat für Hilfe im Umgang mit ihrem Laptop engagieren. So entstehen Netzwerke, und genau das ist das Ziel des Projekts "SoNAh" (Sozialraumorientierte Netzwerke in der Altenhilfe) des Caritasverbands für die Diözese Mainz - unkomplizierte Kontakte und ehrenamtliche Hilfe ermöglichen.
Text: Andrea Kipp