Gute Aussichten für die Menschen im „Höhenblick“
Wenn Anita Hüttmann über ihr Zuhause spricht, klingt das so: "Die Lage ist super mit der tollen Aussicht auf die Süchtelner Höhen, alles ist hell und freundlich, und wir haben eine gute Nachbarschaft", schwärmt die Mieterin der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft für den Kreis Viersen (GWG). Seit 38 Jahren wohnt sie in der Wohnanlage Höhenblick, mit 30 ist sie als junge Mutter hierher gekommen, und sie erinnert sich noch gut daran, was Bekannte damals zu ihr sagten: "Ziehst du in die Bronx?"
Viele Jahre lang besaß die Wohnanlage an der Höhenstraße 44-50, vorsichtig ausgedrückt, nicht den besten Ruf. Zwischen 1973 und 1975 hatte die GWG die vier Gebäudekomplexe mit insgesamt 106 Sozialwohnungen gebaut. Damals galt die Architektur in Terrassenbauweise als vorbildlich mietergerecht, zudem waren die Wohnungen komfortabel ausgestattet. Aber es gab häufig Ärger unter den Bewohnern, viel Vandalismus, Aggressionen und Gewalt, unzufriedene Mieter, hohe Fluktuation und zahlreiche Leerstände. "Wenn ich früher vom Kegeln kam und durch den dunklen, engen Betonflur ins Haus und zu meiner Wohnung ging, hatte ich immer ein mulmiges Gefühl", erzählt Anita Hüttmann.
Die GWG reagierte. 1999 schloss sie mit dem Caritasverband für die Region Kempen-Viersen einen Kooperationsvertrag für ein Projekt, das den Mietern eine Anlaufstelle bieten sollte. Seither gibt es den in einer Wohnung eingerichteten "Treffpunkt Höhenstraße", dessen Arbeit größtenteils von der GWG finanziert wird. Von Beginn an setzte der von einer hauptamtlichen Caritas-Mitarbeiterin geleitete "Treffpunkt" auf das Engagement der Bewohnerinnen und Bewohner. Motto: "Mehr wollen - mehr machen."
Anita Hüttmann ist seit damals dabei. Sie und weitere Bewohnerinnen und Bewohner bieten ehrenamtlich zahlreiche Aktivitäten für die übrigen Mieter an - das reicht von wöchentlichen Frühstückstreffen bis zum Kräuterseminar, vom gemeinsamen Kochen bis zum jährlichen Sommerfest. Ein Schwerpunkt liegt auf Angeboten für Kinder und Jugendliche. Jede Woche treffen sich von Bewohnern geleitete Kreativ-, Bastel- und Spielgruppen. In allen Schulferien wird ein abwechslungsreiches Freizeitprogramm mit Radtouren, Kegeln, Nachtwanderung, Naturkosmetik, einem Familienausflug und vielem mehr gestaltet. Beetpaten pflegen einen Kräutergarten auf dem Grundstück und übernehmen so Verantwortung für ihr Wohnumfeld. Mehrere Jugendliche setzen sich ebenfalls für die Gemeinschaft ein.
Die Sozialpädagogin Manuela Nazemi-Bogda leitet den "Treffpunkt" hauptamtlich und begleitet das achtköpfige Team von Ehrenamtlichen. Sie berät Bewohner bei Fragen und Problemen, hilft bei Anträgen und vermittelt bei Bedarf an andere Dienste und Ansprechpartner. Zweimal im Jahr organisiert sie eine Stadtteilkonferenz mit Vertretern von Jugendamt, Vereinen, Schulen sowie Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen und der Polizei.
Ab 2003 folgte der zweite wichtige Schub für das Gemeinschaftsleben. Die GWG begann damit, die Gebäude umfassend zu sanieren und zu modernisieren. Klares Ziel: Die gesamte Wohnanlage sollte wohnlicher und attraktiver werden. "Neben der angestrebten größeren Mieterzufriedenheit wollten wir natürlich auch die Fluktuation senken und annähernd eine Vollvermietung erreichen", sagt GWG-Sprecher Peter Bauland rückblickend. Den Mietern machte die Wohnungsgesellschaft das Angebot, ihre Wünsche und Ideen einzubringen, sich zu beteiligen und mit anzupacken. Das koordinierte der "Treffpunkt". Nur ein Beispiel von vielen: Die kreativen Ideen der Kinder für die Neugestaltung der Spielbereiche wurden in die Planung einbezogen.
"Das Erneuerungsprojekt hat die Wohnqualität sehr verbessert", sagt Anita Hüttmann. Großzügig, lichtdurchflutet und farbenfroh präsentieren sich seither die Eingangsbereiche und Treppenaufgänge, einladend die Außenbereiche. Jeder Hausflur hat eine eigene Leitfarbe - orange, grün, violett oder rot. Gleichzeitig wurde ein Concierge eingestellt und diskrete Video-Sicherheitstechnik installiert. Diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass sich die Bewohner viel wohler und sicherer fühlen und mögliche Störer abgeschreckt werden. Wahrzeichen der Wohnanlage sind haushohe Gräser-Skulpturen, die vor den Gebäuden 44 und 50 stehen - sie symbolisieren die Verbindung von Wohnanlage und Natur am Fuße der Süchtelner Höhen.
"Es gibt keine Schmierereien mehr im Haus", berichtet Karl-Heinz Jansen. Der 74-jährige ehemalige Krankenpfleger hat den Vergleich - er wohnt seit 1981 in der Wohnanlage. Tatsächlich: Zeichen von Vandalismus sucht man vergebens. Der wie hochwertiges Parkett anmutende Fußboden der Eingangshallen und Flure ist sauber, die übergroßen Wandbilder mit Blumenmotiven sind unbeschädigt. "Was man schön findet und wertschätzt, das zerstört man nicht", erklärt Manuela Nazemi-Bogda. Sie betont auch: "Einen besseren Kooperationspartner als die GWG kann ich mir nicht vorstellen." Erst im vergangenen Jahr wurde mit großem finanziellen Aufwand die Wärmeversorgung energetisch saniert: Ein Blockheizkraftwerk sorgt nun dafür, dass die Energiekosten niedrig und für die Mieter tragbar sind. Darüber freut sich auch Christian Schrödter vom Caritasverband für die Region Kempen-Viersen: "Dieses Engagement der GWG passt auch zum Anliegen der Caritas, die sich mit der Jahreskampagne ,Jeder Mensch braucht ein Zuhause‘ für bezahlbaren Wohnraum einsetzt."
Verändert hat sich auch die Mieterstruktur. "In den letzten Jahren sind überwiegend junge Familien hier eingezogen", sagt die Sozialpädagogin, die alle neuen Bewohner begrüßt und sich sowie die Angebote im "Treffpunkt" vorstellt. Rund 240 Menschen aus etwa 15 verschiedenen Nationen leben in der Wohnanlage, und unter den Mietern sind immer noch viele Bezieher von Transferleistungen. In den vergangenen Jahren kamen zahlreiche geflüchtete Menschen. "Wir sind ein bunt gemischtes Völkchen, aber die Mischung stimmt. Und wir geben hier aufeinander Acht", meint Karl-Heinz Jansen. Dazu habe der "Treffpunkt" wesentlich beigetragen.
Oft hält die Verbindung auch dann noch, wenn die Menschen längst nicht mehr hier wohnen. Kornelia Schwering (58) hat sich von Beginn an für den "Treffpunkt" engagiert. Vor fünf Jahren ist sie nach drei Jahrzehnten in der Wohnanlage Höhenblick ausgezogen- aber sie arbeitet mit ihrem Lebenspartner Theo Peiffer nach wie vor im Kernteam mit. Und sie weiß: Zu den Veranstaltungen des "Treffpunkt", vor allem zum großen Sommerfest, kommen inzwischen Besucher aus dem gesamten Stadtteil Süchteln und darüber hinaus. Von der "Bronx" spricht jedenfalls schon längst niemand mehr. Gute Aussichten also für die Menschen in der Wohnanlage Höhenblick - und das nicht nur, was den Blick auf das nahe gelegene große Waldgebiet betrifft.