Diözesan-Caritasdirektor Andreas Meiwes im Interview
Ab 2013 soll nach dem Kinderförderungsgesetz, das am 1. Januar 2009 in Kraft trat, für Eltern ein Betreuungsgeld von bis zu 150 Euro gezahlt werden. Die in den Medien auch als "Herdprämie" bezeichnete monatliche Zahlung, ist vorgesehen für Eltern, die ihre ein- bis dreijährigen Kinder nicht in Einrichtungen betreuen lassen wollen oder können. Damit solle die "herausragende Leistung der Eltern bei der Erziehung des Kindes gewürdigt" werden. Die Berliner Regierungskoalition argumentiert, das Betreuungsgeld ermögliche die Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Angeboten und Leistungen. Die Caritas im Ruhrbistum lehnt die aktuellen Pläne zur Einführung eines Betreuungsgeldes ab.
Red.: Herr Meiwes, wie beurteilen Sie die Debatte um das Betreuungsgeld?
Andreas Meiwes: Mich stört die ideologisch geführte Diskussion um die Frage, wann sind Eltern gute Eltern und wann nicht. Ich glaube, diese Auseinandersetzung hilft weder Kindern noch Eltern.
Red.: Und wie beurteilen Sie die geplante Umsetzung?
Meiwes: Durch das Betreuungsgeld soll, so die Gesetzesbegründung, die herausragende Leistung bei der Erziehung des Kindes gewürdigt werden. Für mich stellt sich die Frage, warum eine Mutter, die ihr Kind für 25 Stunden in der Woche in die Kita gibt, um ihren Schulabschluss zu machen, nicht für Ihre Erziehungsleistung gewürdigt werden soll, während eine Managerin mit einer 50-Stunden-Woche, die eine Kinderfrau einstellt, für ihre Erziehungsleistung durch das Betreuungsgeld gewürdigt wird. Das ist ungerecht.
Red.: Aber das ließe sich doch korrigieren?
Meiwes: Ich bleibe dabei: Das Betreuungsgeld ist ungerecht. Es diskriminiert Hartz IV-Empfänger, wenn diese wie geplant das Geld auf ihre Leistungen angerechnet bekommen. Das Vorhaben hilft nicht, die Wahlmöglichkeit von Eltern herzustellen, da immer noch viele Eltern kein Betreuungsplatz bekommen, auch wenn sie dies wünschen.
Red.: Was halten Sie davon, das Betreuungsgeld als Gutschein für Bildungsangebote auszuzahlen?
Meiwes: Wie dadurch die Erziehungsleistung der Eltern gewürdigt werden soll, ist mir ein Rätsel.
Red.: Ihr Fazit?
Meiwes: Das Betreuungsgeld nutzt Kindern gar nichts, und es würdigt auch nicht in gerechter Weise die Erziehungsleistung der Eltern. Die meisten Eltern, die ihre Kinder nicht in eine staatliche Kita geben, tun dies, weil sie das so wollen und weil sie darin eine Selbstverständlichkeit sehen. Entscheidend ist, ob Eltern sich die Auszeit im Beruf überhaupt leisten können. Dies trifft auf Alleinerziehende und auf viele andere Familien nicht zu. In der Regel können dabei 150 Euro keine Alternative zu einem Erwerbseinkommen sein. Gerade hier im Ruhrbistum gibt es viele Eltern, die bei ihrem Kind bleiben, nicht weil sie es so entschieden haben, sondern weil sie keine Arbeit finden oder keinen Betreuungsplatz für ihr Kind. Oft bedingt sich beides gegenseitig. Von den Kindern dieser Familien weiß man, dass sie besonders oft von Armut bedroht sind. Ich vermute, es wird sich nur ein kleiner Teil, für den die 150 Euro tatsächlich das Zünglein an der Waage der Entscheidung ist, dadurch beeinflussen lassen.
Red.: Was empfehlen Sie der Politik?
Meiwes: Ich meine: Betreuungsgeld ersatzlos streichen und stattdessen mehr Geld in den Ausbau der U3-Betreuung.
Das Interview führte Christoph Grätz