Junge Leute erleben Europa
Im Rahmen der Initiative Experiencing Europe bieten internationale Unternehmen arbeitssuchenden jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren Kurzpraktika im europäischen Ausland an. Die Teilnehmer absolvieren in zwei Ländern zwei je 14-tägige Praktika. Jugendliche, die eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) besuchen, erkennen dabei Möglichkeiten und Vorteile eines vereinten Europa.
Die jungen Menschen verbessern ihre Startchancen, indem sie in einem ungewohnten Umfeld unterschiedliche Kulturen und Arbeitswelten kennenlernen und sich persönlich und beruflich weiter entwickeln. Sie nehmen teil an Gemeinschafts- und Freizeitaktivitäten, die die Gastfamilien vor Ort organisieren. Dadurch werden sie zu Botschafter(inne)n des europäischen Gedankens. Aus diesem Grund spricht Experiencing Europe vor allem junge Leute an, die bis jetzt wenig von den Vorteilen der EU profitiert haben. Dabei kooperieren die Unternehmen, Träger von BvB-Maßnahmen und die Bundesagentur für Arbeit.
Das CSR-Kompetenzzentrum im Deutschen Caritasverband koordiniert und organisiert die Reise der Jugendlichen. Die BvB-Träger wählen die Teilnehmer(innen) aus. Die Unternehmen stellen Praktikumsplätze im Ausland, sorgen für die Unterbringung in Gastfamilien oder Hostels und bezahlen Unterbringung, Verpflegung und Reisekosten.
Im Jahr 2017 begann es mit dem Autozulieferer Continental, heute engagieren sich Unternehmen wie DHL, Oliver Wyman, Thomas Cook/Condor, Schaeffler, Deutz AG, Schmitz Cargobull, Vapiano und die katholische St.-Johannes-Gesellschaft, Dortmund.
Bei Kollegen in Spanien umgesehen
Moritz und Matthias sind Teilnehmer an Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen (BvB) der Arbeitsagentur. Sie machen ein Praktikum von zweimal zwei Wochen bei der Deutz AG und Schmitz Cargobull in Zafra und in Saragossa in Spanien. Ziel ist, Europa anders zu erleben, Kulturen kennenzulernen und Berufsfelder der Unternehmen zu entdecken.
„Zu Beginn trafen wir Antonio, den stellvertretenden Leiter des Ingenieur-Teams rund ums Thema Zylinderköpfe. Er und eine junge Ingenieurin zeigten die Fertigung und erklärten den Herstellungsprozess. Viele der Ingenieure hier würden gerne einmal das Werk in Köln besuchen und haben sehr interessiert zugehört, als wir davon erzählt haben.
Inzwischen haben wir einen Überblick gewonnen über Produktion, Konstruktion, Qualitätskontrolle und Logistik. Selber machen können wir leider wenig, da die meisten Sachen entweder eine detaillierte Einweisung erfordern oder schlichtweg innerhalb der Maschinen stattfinden. Außerdem würden wir die Produktion verlangsamen, und das wäre ja auch nicht gut. Aber wir bekommen jeden einzelnen Arbeitsschritt erklärt.
Sprachlich läuft es in der Firma ziemlich gut, es gibt mehrere Leute, die fließend Englisch sprechen, und ein paar, die auch Deutsch sprechen. In Zafra ist das anders. In der Stadt sprechen wenig Leute Englisch. Was einem natürlich direkt auffällt, ist die Siesta – und dass hier wirklich niemand Fahrrad fährt.“
Wo Europa noch zulegen könnte
Nore (39), Pflegeschülerin in Fulda, kam vor vier Jahren aus Albanien nach Deutschland. In der Europäischen Union sieht sie viel Positives, aber auch einige Hürden:
"Meine persönliche Situation war schwer, ich musste um meine Aufenthaltsgenehmigung kämpfen. Eigentlich halte ich Europa für einen sehr offenen und freien Kontinent. Viele Kulturen, Sprachen und Religionen existieren tolerant nebeneinander.
Als Albanerin bedaure ich, dass viele Balkan-Länder ein wenig ausgegrenzt werden. Es wäre gut, wenn auch sie nach Europa und in die Europäische Union einbezogen würden. Ich hoffe sehr, Europa bewahrt seine positive Entwicklung der letzten Jahrzehnte und wächst weiter zusammen."
Was Pflegeschüler Matthias gut an Europa findet
Matthias (29), ebenfalls Pflegeschüler in Fulda, sieht es ähnlich: „Als ich klein war, gab es noch die vielen Währungen und Grenzkontrollen in Europa. Allein hier merkt man schon, was die Europäische Union für ihre Bürger(innen) bereits alles an Positivem gebracht hat.
Schön wäre es aber, wenn auch gegenüber den Menschen außerhalb der Europäischen Union mehr Offenheit gezeigt würde: Bei uns in der Caritas-Pflegeschule zum Beispiel haben wir Menschen aus ganz verschiedenen Nationen – und verstehen uns alle sehr gut. Warum sollte das nicht auch auf höherer Ebene klappen?“
Europäische Ideen-Scouts: vom Nachbarn lernen
„In Südtirol leben und arbeiten Deutsche und Italiener selbstverständlich miteinander. Neue Mitarbeitende in der Caritas lernen grundsätzlich die zweite Sprache nach, die Kosten trägt der Verband.“ Diesen Einblick bekam Peter Nagel, Referent für Gemeindecaritas in Hildesheim, bei einem Gruppenbesuch in Brixen (Südtirol/Italien).
Noch eine zweite Erfahrung hat sich ihm besonders eingeprägt: „Hier dürfen Flüchtlinge nach sehr kurzer Zeit arbeiten. Das beschleunigt die Integration sichtbar.“ Im eine Bahnstunde von Brixen entfernten Meran betreiben Flüchtlinge, unterstützt von der Caritas, ein Restaurant, Träger ist eine eigene Sozialgenossenschaft: „Weniger Bürokratie und individuelle Hilfe sind in Südtirol bereits umgesetzt.“, so Peter Nagel voller Anerkennung für die Integrationsarbeit beim europäischen Nachbarn.