Komm herab vom Schuldenberg!
Man wacht nicht morgens auf und stellt fest: Ups, ich bin ja überschuldet. Im Gegenteil, vielleicht schläft man schlecht oder gar nicht und das schon seit Wochen und Monaten. Die allermeisten Menschen mit Schuldenproblemen fühlen sich wirklich beschämt und schuldig, verpflichtet, das geborgte Geld zurückzuzahlen – selbst wenn sie es gar nicht (mehr) können.
Plötzlich krank – und verschuldet
Wie Michael Schulz, der ja auch nur einen eigentlich bescheidenen Kredit von 8000 Euro fürs Auto aufnahm. Mit seinem guten Gehalt von rund 3000 Euro netto hätte er ihn rasch zurückzahlen können. Jetzt sind nur noch 2000 Euro offen.
Aber Schulz wurde krank, bekam nur noch 1800 Euro Krankengeld. Dann musste er in die Reha, und nun steht fest: Er ist erwerbsunfähig und bekommt bald nur noch eine Erwerbsunfähigkeitsrente, 1200 Euro. Seine Frau bezieht als Teil der Bedarfsgemeinschaft 465 Euro Sozialgeld – da wird es schon knapp, wenn die 800 Euro monatlich für die Wohnungsmiete abgebucht werden.
Michael Schulz, dessen wirklicher Name nicht publiziert werden soll, ist um den Schlaf gebracht. Er hat sein Leben lang gearbeitet, immer alles bezahlt auf Heller und Pfennig. Er, als ehrliche Haut, will das der Bank nicht antun und das Geld irgendwie abstottern. Und seine Frau Anita lässt ihm keine Ruhe: Sie hat alles aufgeschrieben und zusammengezählt. Ergebnis: Es reicht nicht. Wenn er die Rate zahlt, haben sie nichts mehr zu essen. Sie sagt: Los jetzt, auf zur Schuldnerberatung!
Freigrenzen schützen vor dem Aus
Jetzt sitzen die beiden, nach durchwachten Nächten voll Angst und Scham, im Büro von Joachim Schäferbarthold. Zum ersten Mal, mit ihrem selbst ausgerechneten Verhängnis in der Klarsichthülle, in der offenen Sprechstunde. Unangemeldet, hier braucht man keinen Termin.
In einer halben Stunde kann eine lebensbedrohliche Finanzschieflage nicht behoben werden. Aber die Schuldenspezialisten der Caritas Trier um Fachbereichsleiter Harald Herres haben eine Warteliste. Sechs bis acht Wochen müssen sich Verschuldete, egal wo in Deutschland, bis zum Start einer regelrechten Schuldnerberatung und -regulierung gedulden.
Damit niemand in seiner Not entmutigt wird oder das Problem wieder verdrängt, ist die offene Sprechstunde der erste vertrauensbildende und motivierende Kontakt. Und der ehrenamtlich tätige Berater Schäferbarthold – sonore Stimme, ehemaliger Versicherungsmanager und von Haus aus Jurist – weiß, wie man Türen öffnet: Rasch überfliegt er die Einkünfte und spricht den erlösenden Satz: "Da müssen Sie doch gar nicht mehr zahlen. Ihre derzeitigen Einkünfte liegen unter der Pfändungsgrenze. Stoppen Sie Ihre Rückzahlungsverpflichtungen und richten Sie ein P-Konto ein."
Mit dem P-Konto das Auskommen sichern
Das P-Konto, genauer: das Pfändungsschutzkonto kann nicht durch Kreditraten überzogen werden, und Miete, Strom, Heizung werden zuverlässig bezahlt. Alle Einkünfte schnell darauf umleiten, dann sind sie und das Auskommen sicher – nur der Kreditgläubiger geht leer aus. Wenn es Herrn Schulz ein Anliegen sei, könne er dann ja eine kleine Tilgungssumme, 20 Euro monatlich, anbieten, als Zeichen seines guten Willens. Aber nur, wenn er wolle.
Zahlen muss Michael Schulz nichts mehr, solange sein Familieneinkommen die Pfändungsfreigrenze von 1479 Euro für ihn und seine Frau nicht übersteigt. Und das wird in diesem Leben wohl nicht mehr vorkommen. Familie Schulz sieht man die Erleichterung förmlich an. Bezieht der Ehepartner wie Frau Schulz Sozialgeld, ist dies nicht pfändbar.
Vorbeugen gegen das Minus
Eines ist Joachim Schäferbarthold ganz wichtig: Bevor man untergeht in roten Zahlen, bevor man sich auf fragwürdige Geschäfte mit unklarem Ausgang einlässt, sollte man sich informieren und nachdenken. Man kann damit nicht früh genug anfangen, am besten schon in der Schule. Sein ehemaliger Arbeitgeber hat gemeinsam mit anderen Unternehmen eine Stiftung gegründet, die das Lernprogramm "My Finance Coach" und die damit verbundene Seite myfinancecoach.org betreibt.
Hier können Schüler sich schon ab der fünften Klassenstufe schlaumachen über den Umgang mit Geld, über Kaufen und Sparen, aber besonders auch über Internetgeschäfte und Finanzen: Schäferbarthold geht zu solchen Unterrichtseinheiten als "My Finance Coach"-Trainer in Schulen in Trier. Er weiß dank intensiver Kontakte zur Stiftung, dass auch Finanzexperten wie Börsenmitarbeiter das ehrenamtlich machen wie er.
"My Finance Coach" ist in Caritas-Kreisen nicht unumstritten. Kritiker bemängeln, dass die Stiftung von Wirtschaftsunternehmen gesponsert wird, und befürchten Einflussnahmen auf die Jugendlichen. Schäferbarthold sieht das anders. Jeder Coach verpflichtet sich schriftlich, dass er keinerlei Marketing- oder Vertriebsaktivitäten an den Schulen unternimmt. Zudem werden die ehrenamtlichen Trainer selbst geschult, bevor sie starten dürfen. Falls jemand an den gemeinsam mit dem Schulbuchverlag Klett erstellten Materialien konkrete Kritik und Änderungswünsche habe, könne er das jederzeit ganz offen mitteilen. Schäferbarthold und Kollege Herres finden es gut, dass überhaupt jemand Jugendlichen Kenntnisse vermittelt - denn weit und breit fehlt es wegen der aufwendigen Fallbearbeitung an der notwendigen Prävention.
Online informieren
Wer sich in Sachen Schulden und Ausweg weiter informieren will oder Tipps und Kniffe an Betroffene weitergeben möchte: Auf caritas.de finden Sie einen Bereich Häufig gestellte Fragen sowie die Online-Beratung für Schuldner. Im Ratgeber zeigen Laura und Basti in vielen Videos unterhaltsam und nicht ganz bierernst verschiedene Wege aus der Schuldenfalle: Pleite - was nun?