„Eine gute Kerze braucht drei Tage“
"Dabei braucht eine gute Kerze drei Tage bis sie fertig ist", sagt Michael Überall. Seit einigen Monaten fertigt er die schmucken Einzelstücke in der Kerzenwerkstatt des Blickkontakts. Daneben gibt es handgemachte Grußkarten, selbst gebastelte Anhänger in Engelform oder Mützen, die Roswitha Mrosek mit flinken Fingern Masche für Masche akkurat häkelt. Die Hochsaison für die Kerzenwerkstatt ist zwar zu Weihnachten. "Aber wir sind ganzjährig kreativ. Dabei zählt vor allem, dass wir für jeden Teilnehmer das passende Angebot finden", sagt Julia Westermann, die das Angebot für Menschen mit Behinderung im "Blickkontakt" koordiniert.
Das Tagesstrukturierende Angebot des Caritasverbandes Brilon richtet sich an Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung Probleme haben, die Anforderungen und Taktung des Alltags zu meistern. Die Teilnehmer leben in einer eigenen Wohnung und werden vom Team des Ambulant Betreuten Wohnens begleitet. Die Dienste verzahnen sich, wenn es Schnittstellen gibt, die dem Wohl der Menschen dienen. "Individuelle, an den persönlichen Ressourcen orientierte Begleitung ist deshalb besonders wichtig", betont Sozialpädagogin Julia Westermann. "Es geht darum, eine grundlegende Tages- und Wochenstruktur mit Förderungs- und Beschäftigungscharakter innerhalb eines geschützten Rahmens anzubieten." Und das erfolgt Schritt für Schritt, also niedrigschwellig, wie es in der Fachwelt heißt. "Wir fördern, aber überfordern nicht. Wir holen den Menschen dort ab, wo er steht", sagt Westermann. Die Menschen, die vier Mal die Woche von morgens neun bis mittags ein Uhr in den "Blickkontakt" kommen, können aufgrund ihrer Erkrankung oder Behinderung nicht auf dem Ersten Arbeitsmarkt oder in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung arbeiten. Dennoch: "Alle Menschen haben einen Anspruch auf Teilhabe am Leben und ebenso auf Bildung", betont Julia Westermann. Zur Teilhabe trägt das Gefühl bei, etwas produzieren zu können, was gebraucht wird, sogar als schön empfunden wird - so wie die Kerzen oder das weihnachtliche Grußkärtchen. "Deswegen verkaufen wir unsere handgefertigten Produkte auch", betont Julia Westermann und fügt augenzwinkernd hinzu: "Wertschätzung darf sich da auch einmal in barer Münze zeigen." Der Gewinn aus dem Verkauf fließt zurück in die Produktion.
Es sind keine tausender Auflagen, sondern Einzelstücke, die Michael Überall fertigt. Bei 80 Grad schmilzt er die Zutaten im Profi-Kerzenkessel: Stearin und Paraffin. Hinzugefügt werden Farbpigmente, mitunter auch Düfte. Mehrfarbige Lichter werden Schicht für Schicht im 30-Minuten-Takt in die Formen gegossen. "Natürlich muss dabei die Dochtgröße zur Form passen, damit die Kerze gleichmäßig abbrennt", erklärt Michael Überall. Drei Tage braucht das Stück, um komplett auszuhärten. Dann wird die Form geöffnet, der Wachsleib herausgeholt und zum Abschluss noch einmal blank poliert. "Und dann kann Weihnachten kommen", schmunzelt der Kerzenmacher zufrieden.
Info:
Wer an den handgemachten Caritas-Kerzen interessiert ist oder die Kerzenwerkstatt besuchen möchte, kann sich bei Julia Westermann unter Telefon 02961 743213 melden oder zu den Öffnungszeiten vorbeischauen: montags bis mittwochs und freitags zwischen 9 und 12 Uhr, im Blickkontakt, Gartenstraße 8, in Brilon.