Bluttest auf Downsyndrom als Kassenleistung?
Drei Fragen von der Sozialcourage-Redaktion an Ulla Schmidt, ehemalige Bundesgesundheitsministerin, die als Bundesvorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe e. V. mit dem Thema Pränataldiagnostik und ihrer ethische Bedeutung befasst ist.
Gegner kritisieren, der Praena-Test sei dazu da, behindertes Leben zu selektieren und damit zu diskriminieren. Befürworter sehen darin die Rechte der Frau oder Eltern auf Selbstbestimmung gestärkt. Wie sehen Sie das?
Ulla Schmidt: Als Politikerin begleite ich diese Diskussion schon lange, aus Sicht der Frauenpolitik ebenso wie aus Sicht der Behindertenpolitik. Deshalb ist mir eines wichtig: Hier dürfen Frauen und Menschen mit Behinderung nicht gegeneinander ausgespielt werden. Unerträglich wäre mir aber der Gedanke, dass wir eine Reihenuntersuchung auf Menschen mit Downsyndrom durchführen, um sie systematisch herauszufiltern. Um gleichsam lebenswertes und angeblich lebensunwertes Leben voneinander zu unterscheiden.
Unter welchen Voraussetzungen könnte die Lebenshilfe die Methode des Praena-Tests befürworten?
Wir von der Lebenshilfe befürchten, dass der Bluttest zu einem Automatismus in der Schwangerschaftsvorsorge wird. Aus meiner Sicht ist eine Indikationsstellung Vorbedingung für die Durchführung des Tests. Gab oder gibt es zum Beispiel Familienmitglieder mit einer genetisch bedingten Behinderung? Gibt es eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit oder Anzeichen für eine Trisomie?
Gleichzeitig müssen die werdenden Eltern über die möglichen Folgen aufgeklärt werden. Was viele nicht wissen: Der Bluttest gibt in medizinischer Hinsicht keine endgültige Klarheit, sondern zieht neue Fragen und neue Untersuchungen nach sich.
Es besteht die Gefahr, dass durch vorgeburtliche Untersuchungen der Eindruck entsteht, Behinderungen seien vermeidbar und eine Abtreibung sogar gesellschaftlich erwünscht. Dabei ist beides ein Trugschluss, weder sind Behinderungen vermeidbar – nur die Minderheit angeborener Behinderungen lässt sich vorgeburtlich diagnostizieren. Noch wäre es wünschenswert, sondern ein Verlust für unsere Gesellschaft, wenn Menschen mit Behinderung, Menschen mit Downsyndrom nicht mehr geboren würden.
Der Fortschritt in der Medizin wirft in vielen Bereichen tiefgreifende Fragen auf. Doch die Untersuchungsmethoden sind nun einmal in der Welt. Welche Konsequenzen zieht die Lebenshilfe daraus?
Wenn die Diagnose einer Behinderung gestellt wird, geht das an keiner Frau, keinem Paar spurlos vorüber. Es stellen sich existenzielle Fragen, die auch lange nach der Entscheidung häufig offen bleiben. Leider ist die Erfahrung vieler Eltern, dass ein Kind mit einer Behinderung von der Umwelt häufig mit Unverständnis aufgenommen wird: "Habt Ihr das denn nicht gewusst?"
Hier wünschen wir uns als Lebenshilfe, dass Frauen, dass Paare Unterstützung bekommen: Unterstützung dabei, das Leben mit einem behinderten Kind einschätzen zu können und zu erkennen, wie anstrengend und glücklich gleichermaßen ein solches Leben sein kann. Unterstützung auch bei ihrem Weg durch Untersuchungen und bei Gesprächen in der Familie, im Bekanntenkreis und mit Kollegen. Hier brauchen Familien Beistand gerade dann, wenn sie sich für ein Kind mit Downsyndrom entscheiden, oder wenn sie einfach eines bekommen, ohne es vorher gewusst zu haben. Seit ihrer Gründung vor fast 60 Jahren steht die Lebenshilfe als Eltern- und Selbsthilfevereinigung für die Unterstützung und Beratung von Familien mit behinderten Kindern.