Perspektiven für Familien
Beratung für Werksvertragsarbeiter in der Fleischindustrie aus Osteuropa in deren Muttersprachen - mit diesem Angebot betrat der Caritasverband für den Kreis Gütersloh im März 2016 Neuland: Das System der Werkverträge ist von außen kaum zu durchschauen, zudem gibt es keine verlässlichen Angaben über die Zahl dieser Arbeitnehmer im Kreis Gütersloh - Schätzungen gehen von einigen Tausend aus. Mittlerweile hat sich das auf drei Jahre angesetzte Projekt als feste Größe etabliert. Finanziert wird es vom Armutsfonds des Erzbistums Paderborn, angesiedelt ist es im Kreisfamilienzentrum in Herzebrock-Clarholz.
"Die Zurückhaltung weicht, das Vertrauen wächst!" Die Formel, mit der Beraterin Cornelia Hedrich die positive Entwicklung bei vielen Beratungsgesprächen beschreibt, gilt auch für die Akzeptanz des gesamten Angebots. "Die Nachfrage wird ständig größer", sagt Frank Börgerding, der Leiter des Kreisfamilienzentrums. Insbesondere Frauen und Familien nutzten das Angebot, bestätigt Beraterin Hanna Helmsorig. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Cornelia Hedrich berät sie auf Polnisch, Rumänisch und Bulgarisch.
Dass in erster Linie Familien den Kontakt suchen, führt das Caritas-Team darauf zurück, dass diese eher eine langfristige Perspektive in Deutschland im Blick haben als Alleinstehende. Hanna Helmsorig: "Für sie steht das Geldverdienen im Vordergrund, Familien setzen andere Prioritäten, sie wollen hier heimisch werden." Kein leichter Weg, denn Sprachschwierigkeiten bilden eine Hürde, die nur mit viel Einsatz zu überwinden ist. Doch dafür bleibt nach dem "Knochenjob" im Fleischwerk kaum die Energie. Ein Dilemma, das die Beraterinnen nur zu gut kennen. "Verständigungsprobleme, Hilflosigkeit und Unwissenheit bilden einen Teufelskreis, aus dem man nur schwer herauskommt", bringt Cornelia Hedrich die Situation auf den Punkt.
Meistens sind es "alltägliche" Fragen oder Probleme, mit denen die Menschen ins Kreisfamilienzentrum kommen: ein Behördenbrief, ein Schreiben der Krankenkasse, die Nebenkostenabrechnung. "Wohnen ist immer wieder Thema", stimmen die beiden Caritas-Mitarbeiterinnen überein. Günstige Wohnungen sind Mangelware im Kreis Gütersloh. Auch Schulprobleme der Kinder machen vielen Müttern und Vätern Sorgen. Cornelia Hedrich: "Die Eltern möchten, dass es ihre Kinder besser haben, sind jedoch häufig schlicht überfordert."
Solche Nöte kristallisieren sich oft erst im Laufe einer Beratung heraus. "Wenn die erste Frage geklärt ist, folgen meist viele weitere", weiß Hanna Helmsorig. Manche Klienten seien auch enttäuscht, wenn sich nicht alles sofort klären ließe. Cornelia Hedrich: "Natürlich helfen wir, aber unsere Aufgabe ist es nicht, jemand alles abzunehmen und einen Rund-um-Service zu bieten." Denn, so die Beraterin, die selbst aus Rumänien stammt, auf Dauer könne nur der hier eine neue Heimat finden, der die Sprache beherrsche: "Wir raten immer wieder dringend dazu, Deutsch zu lernen, um das Leben hier wirklich selbstverantwortlich in den Griff zu bekommen."
An diesem Punkt wird auch deutlich, was Frank Börgerding meint, wenn er dieses spezielle Caritas-Angebot nicht als reine "Dienstleistung" sieht: "Natürlich bekommen die Menschen hier Rat und Hilfe bei ganz konkreten Problemen, doch uns geht es gerade bei den Werkvertragsarbeitern darum, die Ursachen für deren meist prekäre Lebenssituationen in den Blick zu nehmen und ihnen durch dieses Projekt effektive Unterstützung für eine dauerhafte Integration zu bieten."