Wenn das Kind nicht gesund ist
In welcher Situation sind Eltern, wenn sie erfahren, dass ihr Kind möglicherweise krank oder behindert ist?
Frauen, denen ein Arzt dieses Ergebnis einer vorgeburtlichen Untersuchung mitteilt, sind in einer Krisensituation, einem absoluten Ausnahmezustand. Plötzlich steht die Frage im Raum: "Bekomme ich mein Kind oder nicht?" Viele frieren ihre Beziehung zum Kind ein, weil sie die Vorstellung haben, ein Monster in sich zu tragen. Die Eltern geraten in eine Zwangslage: Sie haben das Gefühl nur zwischen Pest und Cholera wählen zu können. Wer kann schon gut über den Tod des Kindes entscheiden und mit dieser Entscheidung weiterleben? Dieses Gefühl, Entscheidungsmacht über Leben und Tod zu haben, ist kaum auszuhalten.
Was setzt betroffene Frauen besonders unter Druck?
Sie wissen nicht, ob ihre Familie der Belastung durch ein möglicherweise mehrfach behindertes Kind gewachsen ist. Wir leben außerdem in einer Gesellschaft, die so tut, als ob man Makel und Leid aus dem Leben ausschließen kann. Eltern, die sich für dieses besondere Kind entscheiden, müssen sich möglicherweise noch mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass das vermeidbar gewesen wäre. Solange eine breite gesellschaftliche Unterstützung und Solidarität fehlt, ist es nicht leicht, sich für solch einen Lebensweg zu entscheiden.
Wer berät Schwangere in dieser Ausnahmesituation?
Hier helfen die Fachfrauen der Schwangerschaftsberatung von Caritas und SkF. Oft vereinbaren die Ärzte für das Paar oder die Frau einen Termin bei uns, denn in dieser Situation stehen die meisten unter Schock und sind handlungsunfähig. Die psychosoziale Beratung kann aber in allen Phasen der Schwangerschaft hilfreich sein, also auch vor und während der Inanspruchnahme vorgeburtlicher Untersuchungen und bei einer zu erwartenden Behinderung eines Kindes.
Wie kommen Paare zu einer Entscheidung für oder gegen das Kind?
Es gibt viele Paare, die sich in dieser Situation auf ihre Beziehung zu Gott besinnen und sich auf der Basis ihrer christlichen Werte für das Kind entscheiden.
Viele nutzen auch unser Angebot der Beratung. Dort steht die Schwangere mit ihren Fragen und Ängsten im Mittelpunkt. In diesem geschützten Rahmen kann sie Gefühle und Gedanken aussprechen, die sie sich nur ungern eingesteht. Wir Beraterinnen helfen, die Situation aus unterschiedlichen Blickwinkeln anzuschauen. So ergeben sich oft erste Lösungsansätze.
Oft geht es aber zunächst darum, die eingefrorene Beziehung zum Kind wieder aufzutauen. So wird den Eltern bewusst, dass sie eine Entscheidung über ihr lebendes Kind treffen, nicht über ein Objekt. Dann sind Gedankenspiele möglich: Wie wäre es, wenn wir uns für das Kind entscheiden? Wir erklären dann, welche Unterstützung es gibt und vermitteln auf Wunsch den Kontakt zu Eltern, die vor einer ähnlichen Entscheidung standen.
Wir spielen in der Beratung aber auch durch, wie es wäre, wenn sich die Eltern für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Ich frage zum Beispiel: Was glauben sie, wie es ihnen nach dem Abbruch gehen würde, wie ihr Leben in einem Jahr aussehen würde?
Wie hilft die katholische Schwangerschaftsberatung?
Menschliches Leben ist nicht hundertprozentig planbar. Jede und jeder von uns kann morgen von einer Behinderung oder Beeinträchtigung betroffen sein, mit der wir dann zurecht kommen müssen. Unser christliches Menschenbild schließt Krankheit und Behinderung nicht aus, sondern ein. Wir schätzen die Vielfalt des Lebens – deshalb fühlen sich auch Menschen, die mit Kirche nichts zu tun haben, von mir als Beraterin angenommen und verstanden. Mir ist es wichtig, den Eltern Mut zu machen und zu den eigenen Gefühlen zu stehen. Auch und gerade dann, wenn sie sich gegen den gesellschaftlichen Trend und für das Kind entscheiden.