Alt und Jung im Kontakt
Interview mit Lioba Scherer, Studentin der Sozialen Arbeit an der Hochschule Regensburg
Lioba Scherer, Sie haben im Rahmen Ihres Studiums der Sozialen Arbeit 22 Wochen Praktikum bei der Caritas absolviert. Wie sind Sie auf die Caritas gekommen?
Alles begann mit einem Caritas-Kugelschreiber. Beim Elterntreffen zur Kommunion meines Sohnes kam ich mit einem anderen Kommunionvater, Dr. Robert Seitz, ins Gespräch. Er sprach mich auf meinen Kugelschreiber an und sagte mir, dass er beim Diözesan-Caritasverband verantwortlicher Abteilungsleiter für die Pflegeeinrichtungen und die Kindertagesstätten sei. Der Gedanke, Kinder und Senioren zusammenzubringen, weil beide davon profitieren, ließ mich seit meiner Zeit als Kindergartenleitung nie mehr los. Kinder brauchen Erwachsene, die Zeit haben, zuzuhören und spannende Geschichten erzählen können. Und Senioren haben diese Zeit, die sie gerne sinnvoll verbringen würden. Ich suchte gerade aktuell nach einer Praktikumsstelle für mein Studium der Sozialen Arbeit. Was lag da näher, als gleich zu fragen, ob ich das beider Caritas in Dr. Seitz’ Abteilung machen könnte?
Sie haben Senioren und Kinder in den Einrichtungen der Caritas zusammengebracht. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Es gab bereits Pflegeheime, die mit Kindergärten zusammenarbeiteten. Bei den meisten Einrichtungen beschränkte sich der Kontakt aber auf drei bis sechs Aktivitäten im Jahr, beispielsweise ein Martinsumzug im Seniorenheim. Regelmäßige, häufigere Treffen haben aber eine ganz andere Bedeutung für Kinder und Senioren. Es können sich langfristige Beziehungen zwischen den Generationen aufbauen. Ich ging zunächst in die Einrichtungen, wo es mindestens einmal im Monat gemeinsame Aktionen gab. Mich interessierten die Erfahrungen der dort Beteiligten. Alle schilderten ganz begeistert von ihrer Zusammenarbeit, die sie keinesfalls mehr aufgeben möchten.
Im Regensburger Friedheim beispielsweise gibt es alle zwei Wochen Treffen zwischen den Bewohnern und den Kindern der benachbarten städtischen Kita. Sie frühstücken und spielen zusammen, mal im Kindergarten, mal im Alten- und Pflegeheim. Als sich eine Bewohnerin unglücklicherweise bei einem Sturz die Hüfte brach, weinte sie nicht wegen ihres Unfalls, sondern weil sie nicht zum Frühstück in den Kindergarten kommen konnte.
Wie reagieren Senioren und Kinder aufeinander?
Die Vorfreude der Senioren auf die Kleinen lässt sie aufblühen, diese Treffen bringen Farbe in ihren Alltag. Viele Erinnerungen an die eigene Kindheit werden wach. Und auch die Kinder können es kaum erwarten, wieder zu den alten Menschen zu kommen. Kinder schaffen das, was manchmal für Betreuungskräfte harte Arbeit ist. Die Senioren sind froh und aktiv, ganz von alleine.
Ein schönes Beispiel aus dem Kindergarten Marienheim in Arzberg: Beim Memoryspielen neigen an Demenz erkrankte Senioren dazu, immer eine bestimmte Karte umzudrehen. Kinder sind da schonungslos und fragen: "Warum drehst du denn schon wieder die gleiche Karte um? Die hast du doch schon fünfmal umgedreht!" Die Senioren reagieren dankbar darauf und nehmen den Hinweisganz selbstverständlich an. Kinder bringen Leben in Alten- und Pflegeheime. Als im Caritas-Altenheim in Mainburg einmal der Clown zu Gast war, lachten die Bewohner nicht wegen seiner Späße, sondern darüber, welch großen Spaß die Kinder dabei hatten. Lachen steckt eben an. Dagegen werden Kinder positiv von der ruhigen Ausstrahlung der Senioren berührt. Die Senioren nehmen die Kinder an, wie sie sind. Was für ein Glück für die Kinder!
Mehrgenerationenhäuser liegen im Trend. Was ist Ihre Meinung dazu?
Mehrgenerationenhäuser leisten einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft. Ungezwungene Zusammenkünfte zwischen Senioren und Kindern sind ohne Zweifel seltener und schwieriger geworden. Viele Kinder wachsen ohne Großeltern auf. Die Zeiten, in denen mehrere Generationen unter einem Dach lebten, sind eben so gut wie vorbei. Daher ist es zu wünschen, Begegnungsmöglichkeiten für die Generationen zu schaffen: in Gemeinden, in Kindergärten, Jugendhäusern und Altenheimen.
Die meisten Caritas-Heime sind so etwas wie Mehrgenerationenhäuser. Da rührt sich was! Doch möchte ich alle ermutigen, nicht nur einmalige oder seltene Auftritte von Kindergärten, Firmlingen oder sonstigen Kinder- und Jugendgruppen bei Festen im Altenheim zu organisieren. Eine dauerhafte Kooperation zwischen Alt und Jung ist wichtig, damit zwischen den Generationen dauerhafte Beziehungen entstehen.
Was würden Sie der Caritas gerne mit auf den Weg geben?
Wir brauchen Kreativität, Überzeugungsarbeit und Zeit, damit sich Alt und Jung wieder kennen- und schätzen lernen. Ich wünsche der Caritas, dass sie immer mehr haupt- und ehrenamtliche Menschen für die generationenübergreifende Arbeit gewinnen kann. Einen ersten Beitrag dazu hoffe ich durch meinen Leitfaden für eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Kindertagesstätten und Seniorenheimen geleistet zu haben. Er steht den Caritas-Altenheimen zur Verfügung. In ihm erläutere ich die Gründe, Ziele und Vorgehensweisen einer erfolgreichen Zusammenarbeit und ich stelle vier Einrichtungen im Bistum Regensburg vor, die das bereits praktizieren.
Und wenn ich jetzt wieder mit meinem Caritas-Kugelschreiber in den Vorlesungssälen sitze, wird er mich oft an die wertvollen praktischen Erfahrungen erinnern, die ich bei der Caritas für mein Studium gemacht habe.
Das Interview mit Lioba Scherer führten Marcus Weigl und Christina Decker, Verbandskommunikation des Caritasverbandes für die Diözese Regensburg e.V.
Zusatzinfo: Arbeiten und lernen bei der Caritas
Bei der Caritas arbeiten bundesweit gut eine halbe Million Menschen, davon viele in sozialen Berufen. Die Caritas im Bistum Regensburg bildet junge Menschen in pädagogischen und pflegerischen Berufen aus. Außerdem gibt es breite Fortbildungsprogramme für die Mitarbeiter. Praktikanten aller Schul- und Studienrichtungen sammeln regelmäßig praktische Erfahrungen in unseren Einrichtungen. Mehr Infos: www.caritas-regensburg.de