Familien stärken- Erziehungsberatung in Kindertageseinrichtungen
Es ist Montagnachmittag gegen 14 Uhr in einer katholischen Kita im Norden von Hamburg. Frau Kiene* klopft an die Tür eines Gesprächsraums und ein Mann öffnet ihr. Frau Kiene tritt in den Raum. Sie wird freundlich begrüßt und nimmt eine Tasse Tee entgegen.
Der Mann, der ihr nun gegenüber sitzt, stellt sich kurz vor und fragt: Wobei kann ich Ihnen helfen?
Frau Kiene beginnt zu erzählen...
Sie ist alleinerziehende Mutter von Philip, der seit 15 Monaten die Kita besucht. Alle 14 Tage gibt es in der Kita eine kostenlose Sprechstunde für Eltern, die Fragen zur Erziehung und zum Familienleben haben.
Fast jeden Morgen Stress
Frau Kiene wünscht sich Hilfe. Sie lebt mit ihrem Sohn in der Nähe der Kita. Seit einem halben Jahr ist sie wieder halbtags berufstätig. Das Meiste läuft gut, wenn nicht der "Stressmorgen" wäre, wie sie es nennt. Fast jeder Morgen ist es zu Hause stressig. "Philip quengelt viel und er braucht lange bis er sich anzieht und wir gemeinsam gefrühstückt haben", erzählt Frau Kiene. Irgendwann drängt die Zeit und Frau Kiene bekommt schlechte Laune, weil sie nicht pünktlich aus dem Haus kommt. Häufig wird es dann lauter und sie schreit Philip auch schon mal an, obwohl sie eigentlich gar nicht schreien will. Regelmäßig eskaliert die Situation. Mutter und Sohn kommen genervt in die Kita...
Erziehungsberatung in 7 Kitas
In sieben Kindertageseinrichtungen bietet der Hamburger Caritasverband seit September 2012 eine Erziehungsberatung in Kindertageseinrichtungen an. Zwei Pädagogen suchen die Kitas auf. Je nach Bedarf und Größe der Einrichtung findet die Sprechstunde wöchentlich oder im vierzehntägigen Rhythmus in den Räumlichkeiten der Einrichtungen statt. Die Beratung vor Ort stellt einen großen Vorteil für die Eltern dar. Zum Einen bringen die Eltern ihre Kinder täglich in die Kita und die Einrichtung ist ihnen somit vertraut. Zum Anderen ist die Hemmschwelle eine Beratung aufzusuchen gering, da keine weiten Anfahrtswege und lange Wartezeiten zu befürchten sind. Zusätzlich betreuen die Kindertageseinrichtungen die Kinder während der Beratung, ohne dass Kosten für die Eltern entstehen. Eine Hamburger Stiftung hat das Projekt ermöglicht. Es wird bisher gut angenommen.
Bereits mehr als 100 Gespräche geführt
"Nach einer ruhigeren Startphase des Projekts, werden die Sprechstunden insgesamt regelmäßig gut besucht", berichtet Enno Borchers, Diplom Sozialpädagoge und Erziehungsberater. "Seit September 2012 haben wir an die 100 Gespräche in den sieben Kitas geführt."
Die Fragen und Anlässe sind vielfältig: Geschwisterrivalitäten, unterschiedliche Erziehungsstile der Eltern, alltägliche Herausforderungen mit dem Kind, Trennungssituationen in der Familie und Fragen zum Entwicklungsstand des Kindes sind nur ein paar Beispiele, die Eltern motivieren, die Beratung aufzusuchen. Im vertraulichen Gespräch erleben die Mütter und Väter, dass sie wertschätzend und unterstützend beraten werden. "Mir ist es wichtig, die Stärken und Ressourcen der Familien herauszuarbeiten", erklärt Ann-Christin Röver, Sozialarbeiterin und Erziehungsberaterin, "so dass die Eltern ihre eigenen Kompetenzen wieder wahrnehmen."
Häufig hilft schon ein Beratungsgespräch bei konkreten Fragen. Ein anderes Mal nehmen Eltern mehrere Termine wahr, um Verhaltensalternativen zu entwickeln, diese auszuprobieren und zu verfestigen.
Oft erste Anlaufstelle für weiterführende Hilfen
Manchmal ist die Situation in der Familie jedoch sehr belastet und herausfordernd, insbesondere wenn Vernachlässigung und Gewalt in der Erziehung Alltag geworden sind. Die Sprechstunde der Erziehungsberatung ist dann oft eine wichtige Anlaufstelle und der erste Schritt, um weitere Hilfen überhaupt anzunehmen. Die Berater verweisen dann an geeignete Fachberatungsstellen und Einrichtungen weiter, so dass die Familien individuell und langfristig begleitet und gestärkt werden.
Frau Kiene und Herr Borchers sprechen knapp eine Stunde miteinander. In dieser Zeit erfährt Frau Kiene Verständnis für ihre Situation. Ihr werden selbst einige Fragen gestellt, z.B. "Wie sieht bei Ihnen zu Hause ein Morgen aus, wenn es ruhig verläuft?". "In der Antwort dieser Frage verstecken sich häufig schon erste Lösungswege", erklärt Borchers. Frau Kiene fällt zum Beispiel auf, dass sie in diesen Situationen viel gelassener und entspannter ist. Sie überlegt, wie sie häufiger für Ruhe sorgen kann.
Tipps und Ideen für ein ruhigeres MIteinander
Am Ende der Beratungsstunde geht Frau Kiene mit einigen neuen Ideen nach Hause. Zuerst möchte sie den Morgen mehr strukturieren, so dass ein festes Ritual und ein geregelter Ablauf entstehen. Ihren Wecker möchte sie 15 Minuten früher stellen, um entspannter in den Tag zu starten. Vielleicht besorgt sie für Philip eine Sanduhr: "Auch wenn er noch nicht die Uhr lesen kann, bekommt er aber ein Gefühl für die Zeit", sagt Frau Kiene zufrieden.
Ann-Christin-Röver
*Name geändert
Info:
Caritasverband für Hamburg
Ursula Weinmayr-Wagner
wagner@caritas-hamburg.de
Telefon 040 28014055