Caritas ist ein wichtiger Leuchtturm
Hochwürdigster Herr Bischof, ich war einerseits hoch erfreut, andererseits aber auch etwas erstaunt, als Sie am Rande der letzten Sitzung des Diözesancaritasrates in der Ihnen eigenen Art zu mir sagten: "Ich würde gern Mitglied bei Euch werden. Ihr habt doch da bestimmt so ein Aufnahmeformular. Bringen Sie es mir doch gelegentlich vorbei".
Nun sind Sie persönliches Mitglied im Diözesancaritasverband Görlitz, worüber wir uns von ganzem Herzen freuen. Was waren, was sind Ihre Beweggründe für diese Mitgliedschaft?
Der Caritasverband gehört zu unserem Bistum. Er repräsentiert eine wichtige Grundaufgabe der Kirche. Das bewegt mich, jetzt auch formell Mitglied in diesem Verband zu werden.
Ich engagiere mich in verschiedenen Vereinen, vor allem in Vereinen, die unsere Kirchen und den Gottesdienst fördern. Unser Diözesancaritasverband steht für die diakonische Seite der Kirche - darum wollte ich jetzt Mitglied werden. Ich hoffe, dass dies auch als ein Zeichen unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Caritas verstanden wird: Ich schätze ihre Arbeit und ihren Einsatz. Sie stehen für die katholische Kirche - auch in der Öffentlichkeit. Dafür bin ich als Bischof sehr dankbar.
Sie betonen immer wieder den Auftrag der Kirche, der Pfarrgemeinden und jedes Christen sich sozial-caritativ zu engagieren. Was sind für Sie in Ihrem Bistum die Themen und Arbeitsfelder, in denen Sie sich in besonderer Weise dieses Engagement wünschen? Was ist angesichts personeller und materieller Ressourcen realistisch leistbar?
Jede Pfarrei sollte einen Caritaskreis haben - das wäre mein dringender Wunsch. Man nennt diese Kreise in Erinnerung an die großen Heiligen der Caritas auch "Vinzenz-Konferenz" oder "Elisabethgruppe". Hier ist aus meiner Sicht noch ein großes Potential. Solche Gruppen halten den Geist der Nächstenliebe und die soziale Gesinnung in einer Gemeinde wach.
Der Diözesancaritasverband ist die Dachorganisation aller caritativ tätigen Rechtsträger, Orden und Pfarrgemeinden im Bistum Görlitz. Welche Rolle, welche Bedeutung messen Sie der verbandlichen Caritas im Bezug auf Ihr Bistum aber auch mit Blick auf den Deutschen Caritasverband als bundesweite Dachorganisation zu?
Wir gehören zu den kleineren Verbänden innerhalb des Deutschen Caritasverbandes. Die Bedeutung unseres Verbandes sehe ich aber besonders in der Region, in der er wirkt. Brandenburg und Sachsen sind Länder, in denen es nur wenig Christen gibt. Die Präsenz der Caritas ist ein wichtiger Leuchtturm inmitten der säkularen Umwelt. Dieses Selbstbewusstsein wünsche ich unserem diözesanen Verband von ganzem Herzen.
Kirche und Gesellschaft haben sich in den Jahren seit der Wende verändert. Schlagworte sind demografischer Wandel, veränderte Familienstrukturen oder auch schwierige Haushaltslagen der Länder und Kommunen, aber auch der Kirche. Wir erleben ein starkes materielles Auseinanderdriften der Gesellschaft. Angesichts ihrer Einkommenssituation ist vielen Menschen eine gesellschaftliche Teilhabe kaum oder nur eingeengt möglich.
Wie bewerten Sie diese Entwicklung, bedarf es hier anderer Ansätze und wie sollten diese gegebenenfalls aussehen?
Die Veränderungen in den letzten beiden Jahrzehnten sind offensichtlich. Inzwischen ist eine junge Generation herangewachsen, die die DDR und deren Ende nur noch vom Erzählen kennt. Wir leben in einer offenen Gesellschaft, in der alles möglich ist - aber eben nicht alle Menschen am Wohlstand teilnehmen können.
Die Kirche ist wohl derzeit dabei, zu erlernen, sich in dieser neuen "Luft" zurecht zu finden. Nicht alles können wir gutheißen, manches müssen wir aus der Sicht unseres Glaubens kritisieren. Wichtiger scheint mir aber, dass wir selbst Wege vorleben, die andere anstecken und die mit dem Evangelium konform sind. Dazu gehört unter anderem die selbstverständliche Solidarität mit den Schwachen und Armen, die es auch in unserer Mitte gibt. Dazu gehört das mutige Eintreten für die Familie - denn hier wachsen die künftigen Träger einer Gesellschaft heran, wenn die Familie ein verlässlicher Raum der Geborgenheit und des Vertrauens ist.
Das Jahresthema des Deutschen Caritasverbandes lautet “Familie schaffen wir nur gemeinsam“ und will damit auf die Bedeutung und die Situation von Familien hinweisen. Es wird allgemein beklagt, dass zu wenige Kinder geboren werden, Eltern in ihren vielen Rollen an ihre Grenzen kommen und Kinder ein Armutsrisiko darstellen.
Worin sehen Sie die Ursachen für diese Entwicklung und was wäre zu ändern, damit der Wunsch und das Interesse nach mehr Kindern wirklich nachhaltig geweckt und gelebt werden kann?
Wir brauchen einen Wechsel in der Mentalität in unserem Land! Kinder werden zu sehr als Belastung oder Störfaktur für die eigene berufliche Entwicklung angesehen und weniger als Reichtum. Natürlich dürfen Kinder kein "Armutsrisiko" sein, wie Sie es nennen. Dafür muss der Staat sorgen. Kinder erziehen und ins Leben begleiten, bedeutet aber wohl zu jeder Zeit, dass Erwachsene sich dafür zur Verfügung stellen müssen und sich auch - zumindest eine Zeit lang - einschränken müssen. Das wird nie ganz wegzunehmen sein. Das ist aus meiner Sicht nicht zuerst eine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Liebe zu Kindern. Ich selbst bin in einer Familie groß geworden, in der das Geld immer knapp war. Wir konnten uns als Kinder nie alles leisten oder alles kaufen, was unsere Altersgenossen sich leisten konnten. Aber wir haben das "verschmerzt" angesichts der Geborgenheit und der Liebe in unserer Familie.
Kinder sind ein Reichtum - auch für die Eltern - das muss wohl wieder mehr ins Bewusstsein gerückt werden. Dafür stehen wir als Christen ein.
Noch einmal: Der Wechsel in der Mentalität - ein wirkliches Umdenken - scheint mir an der Tagesordnung zu sein. Dann werden sicher auch die anderen Fragen lösbar sein, zum Beispiel die, wie Beruf und Familie vereinbar sein können. Das halte ich aber eher für eine zweitrangige Frage, denn zuerst muss uns der Wert von Kindern neu aufgehen.
Noch eine letzte Frage zur Mitgliedschaft. Viele katholische Christen engagieren sich caritativ ehrenamtlich, spenden für die Anliegen der Caritas oder beten um Hilfe für die Menschen in sozialen Nöten und Krisen. Sie erfüllen damit die Bedingungen für eine Aufnahme als Mitglied im Caritasverband. Und doch fällt vielen der Schritt zu einer aktiven Mitgliedschaft im Caritasverband schwer. Haben Sie dafür eine Erklärung?
Ich glaube, man bindet sich heute nicht mehr so leicht - da haben alle Vereine und Organisationen ihre Schwierigkeiten. Die Vielen, die sich für die Caritas engagieren, sind dennoch von unschätzbarem Wert. Dafür sollten wir einfach dankbar sein.
Eine Mitgliedschaft stärkt natürlich den "Chorgeist" der Caritas - darum lade ich an dieser Stelle gern dazu ein und ermutige zu einer Mitgliedschaft in unserem Verband.
Vielen Dank für dieses Interview!