Alternative für Alleinerziehende
Doch wenn die Paderborner IN VIA Fachberatungsstelle für Teilzeitausbildung Frauen erfolgreich vermittelt, sind damit längst nicht alle Hürden auf dem Weg zu einem Ausbildungsplatz genommen. Irene Jordan will ihre Chance auf jeden Fall nutzen. „Das ist die letzte Möglichkeit, eine Ausbildung zu machen“, sagt die 30-jährige Frau. Fachverkäuferin für das Lebensmittelhandwerk, Schwerpunkt Bäckerei und Konditorei, will sie werden, das erste Ausbildungsjahr geht im Sommer zu Ende. Die Arbeit gefällt ihr, die Berufsschule ist zu schaffen.
Trotzdem: Leicht ist das nicht für sie. Sie ist Mutter eines siebenjährigen Sohnes, den sie alleine erzieht. Ausbildung und Familie zu vereinbaren ist nicht leicht. Irene Jordan gelingt das nur, weil sie sich auf ihre Eltern verlassen kann und eine Teilzeitausbildung macht. Sie arbeitet 30 Stunden in der Woche und erhält dafür etwa ein Viertel weniger Gehalt.
Bei ihrem Arbeitgeber „Goeken Backen“ ist die Teilzeitausbildung mittlerweile Normalität. Doch das ist die Ausnahme. „Vielen Unternehmen sind die Möglichkeiten der Teilzeitberufsausbildung immer noch unbekannt“, sagt Brigitte Mersch. Die Sozialpädagogin ist seit 2005 bei IN VIA für Teilzeitausbildung zuständig. Die Fachberatungsstelle arbeitet außerordentlich erfolgreich. Im Jahr 2012 konnte Brigitte Mersch in 15 von 17 Fällen einen Ausbildungsplatz für ihre Klientinnen finden.
Bei „Goeken Backen“ sind zurzeit zwölf Auszubildende in Teilzeit beschäftigt. Alle wurden über IN VIA vermittelt. „Wir haben fast nur gute Erfahrungen gemacht“, sagt die Personalchefin Anne Goeken-Schmidt. „Die größere Lebenserfahrung macht sich bezahlt. Die Frauen sind sehr motiviert.“
Bevor der Ausbildungsvertrag unterzeichnet wird, reden Brigitte Mersch, Anne Goeken-Schmidt und die jeweilige Bewerberin darüber, ob die Voraussetzungen für die Ausbildung wirklich gegeben sind. Ganz konkrete Fragen werden erörtert. Ist morgens vor der Arbeit die Kita gut zu erreichen? Helfen die Eltern oder Verwandten und was ist in den Ferien? „Das muss passen“, sagt Anne Goeken-Schmidt, „sonst macht das keinen Sinn.“
Bei Irene Jordan passt es, auch weil ihre Familie hilft. Wenn ihr Sohn von der Schule zurückkommt, sind Oma und Opa für ihn da. Andere Klientinnen von Brigitte Mersch haben viel größere Schwierigkeiten, ihr Kind unterzubringen. „Es geht um die Randzeiten“, sagt Brigitte Mersch, „morgens früh, abends und am Wochenende. Für diese Zeiten werden kaum Plätze in den Kindertagesstätten angeboten.“ Lebensmittelverkäuferinnen fangen aber früh an, teilweise um sechs Uhr morgens, sie arbeiten bis in den Abend und auch am Samstag.
Das größte Problem ist jedoch das Geld. Sobald die Ausbildung beginnt, ist nicht mehr das Jobcenter zuständig, sondern die Agentur für Arbeit. Die geht von dem Grundsatz aus, dass jede Erstausbildung – und um die handelt es sich in der Regel – von den Eltern mitfinanziert werden muss. Wenn die Eltern nicht zahlen, weil sie nicht können oder wollen, fehlt das Geld. Die Agentur für Arbeit geht nicht in Vorleistung, zieht den Elternanteil aber von der Berufsausbildungsbeihilfe ab. Bei dem ohnehin schmalen Budget der betroffenen Familien ist das ein harter Schlag. „Die Situation trifft die Frauen eiskalt“, sagt Brigitte Mersch. Würden die Frauen weiterhin ALG II-Leistungen erhalten, wäre das Problem gelöst. Doch das scheint nicht möglich zu sein.
Die Fachberaterin versucht zu helfen, Fonds, Stiftungen und andere staatliche Leistungen einzubinden. Doch das ist oft nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Die Frauen, die den Sprung in die Ausbildung schaffen, wird so der berufliche Neuanfang unnötig schwer gemacht“, sagt Brigitte Mersch. Trotzdem ist die Quote der Abbrecherinnen gering. Anne Goeken-Schmidt kann das bestätigen: „Wir haben seit 2006 alle Azubis nach der Teilzeitausbildung übernommen.“
Teilzeitausbildung
Die IN-Via-Beratungsstelle für Teilzeitausbildung begleitet durchschnittlich zwanzig junge Alleinerziehende, fast immer Frauen, durch die qualifizierte „Erstausbildung in Teilzeit“. IN VIA kooperiert dabei mit dem Jobcenter, der Agentur für Arbeit, Verbänden und Unternehmen. Nur ein Bruchteil der Interessenten kann in den Qualifizierungskurs von IN VIA aufgenommen werden, der der Ausbildung vorgeschaltet ist. Im Frühjahr 2013 startete das neue Projekt „Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen“ (TEP) mit zehn Teilnehmerinnen. Die Teilzeitausbildung wird mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds und des Landes NRW sowie Spenden und Eigenmitteln finanziert.