Mit dem Rolli am Seil
Julian Schonlau muss sich konzentrieren. Rechts und links von ihm lauert der Abgrund, zu jeder Seite sind es weniger als zehn Zentimeter. Vorsichtig rollt er über den schmalen Holzsteg in sieben Metern Höhe. Er testet im Rollstuhl den Slalom im rollstuhlgerechten Hochseilgarten im sauerländischen Rüthen.
Es sind nur noch wenige Meter bis zur sicheren Plattform. Langsam steuert der junge Sportstudent den Rollstuhl durch die scharfen Kurven. Dann auf der Geraden gibt er nochmal alles mit dem für ihn unbekannten Gefährt. „Jaaaaaaaaa“, ruft der Testfahrer und streckt beide Arme in die Höhe. Aufatmen auf der Plattform bei Trainerin Ela Feldmann und an der „Bodenstation“ bei seinen Freunden, die ihn heute sichern.
Mit dem Rollstuhl durch den Hochseilgarten – klingt unmöglich, ist es aber nicht. Möglich gemacht haben das die Pfadfinder von der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg im Erzbistum Paderborn. Schließlich wollen sie ihr Diözesanzentrum „Eulenspiegel“ in Rüthen zur Erlebnis- und Erholungsstätte für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen weiterentwickeln. Und das Erlebnis im Hochseilgarten ist ein Besonderes. Über 120.000 Euro kostet der Hochseilgarten mit seinen 14 Stationen die Pfadfinder. Unterstützung bekamen sie dabei durch die Förderung aus dem Kinder- und Jugendförderplan des Landes NRW sowie durch Spenden.
Das Know-how für die Arbeit im Hochseilgarten bringen die Trainer der Seilschaft UG aus Arnsberg mit. Trainerin Ela Feldmann legt dem Testfahrer den Hüftgurt um, kleidet ihn in ein Sicherheitsgewand mit Karabinerhaken. Julian Schonlau wirkt etwas nervös. „Ich weiß eigentlich, was ich meinem Körper zumuten kann. Allerdings nicht, wenn ich im Rollstuhl sitze“, sagt der 23-Jährige.
Über eine Holzrampe geht es in den Hochseilgarten. Julian stöhnt beim Erklimmen – trotz Unterstützung im Rücken. Die Rampe hat es in sich, vor allem für untrainierte Rollstuhlfahrer. Sein Bodenpersonal hat es da im Moment noch einfacher. Aber die Dreierkette muss genau hinsehen und darauf achten, dass Julians Sicherungsnylonseil stets stramm ist. Trainerin Ela Feldmann erklärt: „Den Hochseilgarten kann man nur bewältigen, wenn man kooperiert. Hier ist Teamarbeit nötig.“ Und sie unterstreicht: „Rollstuhlgerecht ist eben nicht gleich barrierefrei.“ In luftiger Höhe mit Blick über den Zeltplatz und den mächtigen Buchenwald warten noch mehr Stationen. Mit einer Hängebrücke geht es weiter. Auf die Brücke kommt er mühelos. Probleme lauern an der Kante. Die Vorderräder verhaken sich. Julian rollt zurück, ändert seine Technik. „Die Basketballspieler haben das auf zwei Rädern gemacht“, ruft Ela Feldmann ihm zu. Die Trainerin war einige Tage zuvor mit Rollstuhl-Basketballern im Hochseilgarten. „Die haben uns hilfreiche Tipps gegeben, wo wir etwas verbessern können“, sagt Feldmann und behält Julian genau im Blick.
14 Stationen hat der Hochseilgarten, der neue Erfahrungen in der dritten Dimension ermöglicht. Hängebrücke, Slalom, Seilbahn, ein fliegender Steg oder ein Schwungsprung sind nur einige der Stationen. Dabei ist immer der gemeinsame Weg das Ziel. „Und das macht richtig viel Spaß“, findet Julian Schonlau am Ende des Weges.