Nur mit dem Gehör gepunktet
schnell fegt der kleine Ball zwischen den Tischtennis-Spielern hin und her. Schiedsrichter Andreas Bohnenkamp sitzt ruhig dabei, hält den Kopf leicht seitlich zum Geschehen - damit er besser hören kann. Denn: Andreas Bohnenkamp ist blind. Und dennoch dreht er nach jedem Fehler völlig korrekt die richtige Punktetafel um.
Ganz zufrieden ist Andreas Bohnenkamp nach Ende des Spiels allerdings nicht mit sich selbst. "Ein, zwei Entscheidungen waren falsch. Ich hätte noch etwas näher an der Platte sitzen müssen, um noch besser hören zu können", sagt er. Das Spiel war ein Experiment. Die Idee dazu hatte Eugen Fox, Lebensgefährte von Andreas Bohnenkamps Mutter Christel. Eugen Fox ist langjähriger Tischtennisspieler und trat mit seiner Mannschaft SV Blau-Weiß Etteln II beim TTV Hövelhof III zu einem Liga-Spiel der 1. Kreisklasse B an.
Beim ersten Einzel kam Andreas Bohnenkamp dann als Schiedsrichter zum Einsatz. In der Partie zwischen Sebastian Bond (Hövelhof) und Manuel Hein (Etteln) war es dann so weit. Der 43-Jährige nahm an der Seite von Eugen Fox am Zähltisch Platz, auf Höhe der Mitte der Tischtennisplatte, etwa zwei Meter davon entfernt. "Oha, ob das mal gut geht?", dachte sich wohl so mancher der zuschauenden Tischtennisspieler. Im Selbstversuch versuchte der eine oder andere mit geschlossenen Augen nachzuempfinden, was Andreas Bohnenkamp gerade vollbrachte.
Trotz Kreisklasse: Der Zelluloidball fegte in schnellem Tempo zwischen den beiden Spielern hin und her. Nur anhand der Geräusche, die der Ball auf der Platte, an der Plattenkante oder im Netz verursachte, konnte Andreas Bohnenkamp den Punkt richtig zuweisen.
Sebastian Bond gewann die Partie schließlich mit 3:0 (11:9, 11:6, 11:6) und war voll des Lobes und der Anerkennung für den Schiedsrichter: "Faszinierend. Das hat Andreas toll gemacht. Sein Gehör muss schon sehr geschärft sein. Für mich ist Andreas ein Vorbild."
Andreas Bohnenkamp war zwar selbst nicht zu 100 Prozent zufrieden. "Die Spielgeschwindigkeit war aber genau richtig", sagt er. "Denn je schneller die Ballwechsel sind, desto schwieriger wird es für mich." Eine zusätzliche Hürde, die der Hövelhofer überwinden musste: In der Halle wurde zeitgleich an drei weiteren Tischen gespielt oder trainiert.
Die Atmosphäre macht den genuss aus
Sport ist ein großes Hobby von Andreas Bohnenkamp, der als Frühgeburt im Brutkasten falsch behandelt wurde, und bereits mit nur drei Prozent Sehstärke auf einem Auge und einem Prozent auf dem anderen zur Welt kam. Inzwischen ist er zu 100 Prozent blind. Seit 20 Jahren hat er eine Dauerkarte für die Heimspiele des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund und steht dort im Block 13 zwischen den eingefleischten BVB-Fans der Südtribüne - auch "gelbe Wand" genannt. Auch auswärts ist er bei den Spielen des BVB oft dabei, etwa beim Champions-League-Spiel im Madrider Bernabéu-Stadion. "Mein Kumpel steht dann immer eine Stufe über mir und kommentiert für mich das Spiel. Das ist viel besser, als auf einem Extra-Platz mit Knopf im Ohr die Partie zu verfolgen",
sagt er. Er genießt lieber mitten zwischen 80000 Zuschauern die überwältigende Atmosphäre, als nur am Rande dabei zu sein. Andreas Bohnenkamp scheut weder Menschenmassen noch brenzlige Situationen. Auch beim Tennisturnier im Gerry-Weber-Stadion in Halle war er schon vor Ort dabei, verfolgt auch am Fernseher Sportsendungen.
Bei seinem Einsatz als Tischtennis-Schiedsrichter habe er "keinen gesellschaftspolitischen Anspruch" gehabt, erzählt er, "sondern weil ich Spaß daran habe". Und den Respekt der Tischtennisspieler aus Etteln und Hövelhof hat er an diesem Abend nebenbei auch gewonnen.