Hohe Mieten überall
Alles Paläste und Villen? Aber wohin, wenn man sich die teuren Mieten nicht mehr leisten kann? © granata68 - Fotolia.com
Wer krank ist oder Schulden hat, findet in Deutschland so schnell keine Wohnung mehr. Die Zahlen belegen eine massive Wohnungsnot – gerade für Menschen, die sich ohnehin schon in schwierigen Situationen befinden: 808 Wohnungen wurden 2012 in Frankfurt wegen Mietschulden geräumt. 11.000 Menschen sind in Berlin ohne Wohnraum. In München gibt es keinen Platz für Pflegekräfte und auch auf dem Nürnberger Land ist die Wohnungslage angespannt.
Lesen Sie hier Erfahrungsberichte, Fallbeispiele und wie die Caritas vor Ort hilft.
Wo schon Menschen ohne soziale Schwierigkeiten kaum an eine neue Wohnung kommen, ist es umso wichtiger, dass Menschen ohne Arbeit, mit psychischen Problemen oder in Armut ihre bisherige Wohnung nicht verlieren. Denn Ersatz ist kaum zu finden. Darauf hat sich die Caritas in Frankfurt eingestellt. 2012 hat man 107 Menschen betreut, um deren Wohnung zu erhalten, das Abrutschen auf die Straße zu verhindern. Darunter sind auch Menschen mit Suchtproblemen.
In Frankfurt gab es 2012 1678 Räumungsklagen wegen Mietschulden, 808 Wohnungen wurden tatsächlich deshalb geräumt. 2450 Menschen sind als wohnungslos registriert, ebenso viele vorübergehend untergebracht durch ordnungsrechtliche Einweisung in eine Unterkunft. Auch für Wohnungslose ist die Caritas in Frankfurt mit Wärmestuben, Essensausgaben und über 7000 Beratungen aktiv gewesen. Seit vielen Jahren werden auch Wohnwagen auf dem Gelände von elf Kirchengemeinden zur Überbrückung von Wohnungsnot genutzt.
Frankfurt sozial? Hier werden Quadratmetermieten von bis zu 40 Euro verlangt (Westend). Zwei Millionen Quadratmeter Bürofläche stehen leer, das wären 27000 Wohnungen mit je 75 Quadratmetern. In den vergangenen zehn Jahren fiel ein Viertel aller Sozialwohnungen weg, fast 10000: Jürgen Mühlfeld von der Frankfurter Caritas hat deshalb gefordert, Büroräume in bezahlbaren Wohnraum umzuwandeln.
Auf der Straße leben je nach Jahreszeit 500 bis 2000 Personen, alle anderen in Notunterkünften, betreuten Wohnformen oder auf der Couch bei Bekannten, mal hier, mal da. Es gibt keine Wohnungsbauförderung mehr, Neubau fast nur noch im Luxusbereich. Wohnungen werden in Ferienwohnungen für zahlungskräftige Touristen oder in Studentenbuden umgewandelt. Wer der Mietpreisspirale nicht mehr hinterherkommt, muss raus nach Marzahn, Spandau, Brandenburg. Die Caritas hilft besonders im Winter allen, die nicht vor Kälte sicher sind, mit Essen, Notunterkünften, medizinischer Versorgung. Sie motiviert und hilft verzweifelten Wohnungssuchenden bei der Beschaffung von Papieren. Vor allem Junge sind verschuldet - aber jeder Vermieter fragt erst mal bei der Schufa nach. Wer arbeitslos ist, braucht unbedingt eine Wohnung. "Arbeiten ohne Wohnen ist ganz unmöglich", sagt Susen Molter von der Caritas-Wohnungslosenhilfe in Marzahn, die auch Darlehen für Mietkautionen beim Jobcenter beschaffen kann: "Es ist nichts günstiger von den Kosten her, als jemanden in Wohnung zu bringen. Obdach in Notunterkünften bei Wirtschaftsunternehmen ist viel teurer, kostet pro Kopf 700 bis 800 Euro." Wohnbaugenossenschaften sind für sie nicht besser als andere Vermieter. Aber ein Appell an die Menschlichkeit wirkt: "Bei Schwangeren oder Familien ohne Wohnung gibt es ein offenes Ohr und es finden sich Lösungen."
Caritas-Altenpflegehelfer Simon P. arbeitet Vollzeit und hat einen Nebenjob. Seine Frau versorgt die Kinder im Alter von fünf Monaten und drei Jahren. Mit dem Nettoverdienst von 1300 Euro, Nebenjob, Kinder- und Elterngeld und Mietzuschuss kommt die Familie auf ein etwa Hartz IV entsprechendes Einkommen. Die Miete beträgt mehr als 800 Euro. Und dann sind Schulden abzuzahlen. Nicht wegen Luxuskonsum, sondern für die Grundausstattung von Haushalt und Kindern.
Arm trotz Arbeit. Rupert Pfliegl, Caritas-Zentrum Laim, meint dazu: "Der Mangel an Wohnungen ist auch bei der Gewinnung von Pflegekräften und Erzieherinnen ein besonderes Problem. Beide gehören nicht gerade zu den Spitzenverdienern und können sich teure Wohnungen nicht leisten. Da sind Arbeitsplätze im Umland attraktiver als in der Stadt." Genau dasselbe gilt für Polizeibeamte, Post- oder Bahnangestellte, Bäcker, Friseure, Bademeister, Reinigungskräfte. Alles Berufe und Fachleute, die man dringend auch in einer Stadt wie München braucht. Nur wohnen sollen sie ganz woanders.
Der Katholische Männerfürsorgeverein betreut in aufsuchender Sozialarbeit jährlich 1200 Haushalte, die von Wohnungsverlust bedroht sind. Er bietet 557 Männern betreute, therapiebegleitete oder unterstützte Wohnplätze an. Für wohnungslose Frauen hält der Sozialdienst katholischer Frauen 100 Plätze bereit. Im Jahr 2012 hat er 413 Frauen beraten, um deren Absturz in die Obdachlosigkeit zu verhindern.
In Ingolstadt kamen von Juli bis September 2012 122 Klienten mit der dringenden Suche nach Wohnraum zur Caritas: "Menschen, die uns bitten, bei der Suche nach einer Sozialwohnung oder für sie bezahlbaren Wohnraum zu helfen", berichtet Sozialberater Bernhard Gruber. Es sind alleinerziehende Frauen nach Trennung oder Scheidung, kinderreiche Familien, alleinstehende Männer und Migranten.
Seine Kollegin Hildegard Scharvogel in Nürnberg kennt eine Familie, die seit sechs Jahren nach einer Wohnung sucht: "Oft schämen sich Kinder, Freunde zu sich nach Hause einzuladen, da dort aus Platzmangel Kleidung in Kartons gestapelt ist." Und wer von den im Schnitt zwei Jahre lang Wartenden endlich eine Wohnung findet, dem kann es gehen wie dieser Klientin: "Eine geschiedene Arbeitslosengeld-II-Empfängerin zog mit ihrem Sohn in eine eigene Wohnung. Da die renoviert worden war, stieg die Miete gleich um 50 Euro monatlich an. Als der Sohn auszog, lag der Mietpreis nicht mehr unterhalb der gestatteten Mietobergrenze, so dass sie weitere 94 Euro monatlich zahlen musste. Anderthalb Jahre lang musste die Frau monatlich fast 150 Euro selbst zuzahlen, bis sie eine kleinere, billigere Wohnung fand." Wie macht man das? Bernhard Schinner, Caritas Neumarkt: "Sie zwacken es sich zum Teil vom Essen ab, um in der Wohnung bleiben zu können."
Alfons Alberter von der Caritas Weißenburg kennt noch extremere Fälle: "Für manche zerrüttete Familie, in der eigentlich getrennte Partner wegen Wohnungsmangel weiter zusammenleben müssen, haben Anwälte genau die Zeiten festgelegt, wer wann das Bad benutzen darf."